Meine Wut

Mein Gott, wie soll ich heute anfangen? So ein tonnenschwerer Titel, der bedrohlich über dem armen kleinen Text hier schwebt. Jetzt plaudern wir uns erstmal warm.  Zuletzt war es hier ja etwas chaotisch geworden. Zwei technische Pannen, „Termine“ geschmissen. Sind ja nur selbst verordnete Termine, vielleicht wartet eh niemand drauf … Sagen wir so, das Über-Ich diktiert mir die Termine, das strenge. Jedenfalls, für die Mittwoche hatte ich das „Buch der Woche“ angekündigt, das fiel zB diese Woche aus. Im Moment kann ich nur soviel sagen, an dem Hurra-der-neue-Blog-ist-da-FREITAG wird festgehalten, der hat sich bewährt, bis auf weiteres gibt es freitags MAC Classic und „Buch der Woche“ im Wechsel. Im Oktober wird es hier ohnehin viel Neues geben, das erfahrt ihr hier als erstes. Exklusiv! Wenn das kein Wort ist! Ha!

Im Oktober wird der Blog hier ein Jahr alt und das wird natürlich ein FEST! 52 Beiträge werden es dann sein. Es ist schön, auch mal zurückblättern zu können … und da gibt es einen Beitrag, erschienen am 13. Januar 2023, der ganz gut Resonanz hatte und den ich (übrigens: der MAC) heute noch ganz gut finde und der leider immer noch oder wieder aktuell ist. Er hiess „Die Schwarze Krähe“ und begann so:

„Sitzt auf meiner Schulter. Eine schwarze Krähe sitzt auf meiner Schulter. Auf meiner rechten Schulter. Noch nicht so lange, aber doch schon eine Zeit. Nicht erst seit gestern. Vielleicht habe ich sie lange nicht bemerkt, obwohl das Vieh recht schwer ist, in diesen Tagen. Bemerkt habe ich sie eigentlich erst, nachdem sie andere bemerkt haben.“  https://michael-hopp-texte.de/die-schwarze-kraehe/

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An diesen Orten wird in Deutschland Depression bekämpft. Viel Erfolg!

„Du siehst so geschwächt aus!“

Jetzt ist das Vieh wieder da. Tonnenschwer. Nicht zu übersehen, auch für andere. Gestern, Verena, so eine kurzes Zucken im Blick, nachdem ich die Tür öffne, genauso zehntelsekundenschnell wieder unter Kontrolle. Oder die Mutter des Freundes meiner Tochter, im Biergarten zur Einschulung meiner Enkelin, über uns der Himmel so bayerisch blitzblau, die Sonne noch einmal richtig heiss, wie sie zu mir sagt, als ich von der Toilette kommend in Gedanken zunächst an dem Familientisch vorbeigelaufen war, eine einfache Frau, aber offenbar von hoher Intuition: „Was ist denn los? Du siehst so geschwächt aus?“

Es ist auch schwer zu tragen! Wenn ich nicht dauernd laufe, zwingt es mich noch in die Knie. Wie kriege ich das schwarze Vieh wieder verjagt? Das übelriechende. Ja, ich rieche es richtig. Der Mief zieht sich in die Klamotten. Was hilft? AXE? Im MAC hatte ich meinen Kindertrick beschrieben. Sich im Wasser eine Stelle suchen, an der man knapp steht. Dann in die Kniebeuge, mit dem Kopf unter Wasser. Und hochschnellen. Immer wieder. Immer wieder spüren, dass Grund da ist, dass es nicht weiter runter geht … (Im MAC hatte ich das besser beschrieben. Oder liegt es daran, dass das Bild für mich nicht mehr funktioniert?) (Ich gehe auch nicht mehr so gern ins Wasser. Finde es immer KALT.) (Darf man drei Klammern hintereinander setzen? Mache ich einfach!)

Was gibt es Neues in der Selbsterforschung? Eventuell: Depression, endogen, exogen, verwendet das noch jemand, der Unterschied ist auch Quatsch, ist kein Gefühl, das passiv erlebt wird, sondern sie kann verhaltensbestimmend sein. Das meint Eva, wenn sie zu mir sagt, ich brächte mich, immer wieder und schon seit Jahrzehnten, selbst in Situationen, soziale Situationen, in denen ich dann zu Recht deprimiert bin. Und in diesem Prozess der Selbstzerstörung sei ich nicht ansprechbar, „beratungsresistent“, wie sie sagt, wie ferngesteuert. Könnte bedeuten, ich mache mich immer selbst zum Objekt, behindere mich an der Subjektwerdung, die die objektiven Bedingungen überwinden könnte.

Vertreibt Marx die schwarze Krähe?

Das „Kapital“ lesen macht glücklich, habe ich hier mal geschrieben. Vertreibt es auch schwarze Krähen? Wie gerne würde ich die Hände vors Gesicht halten, mich schützen vor den ekligen Windhauchstössen, die das Vieh im Wegfliegen erzeugt. Und wie so ein verrückter Pastor in der Sutane mit dem schwarzblauen MEW-Band hinterherfuchteln.

„Von daher vollziehen sich Revolutionen durch die allgemeine Selbstfindung der Menschen in ihrer ganzen Subjektivität, durch die Vollendung ihres Selbstbewussteins als Mensch. Revolution ist notwendig subjektiv und zugleich subjektive Notwendigkeit, wenn und sobald sie ihr revolutionäres Subjektsein in seiner objektiven Notwendigkeit begriffen hat.“
So leitet Wolfram Pfreundschuh auf https://kulturkritik.net/das folgende Zitat ein.

„Keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft kann diese Rolle spielen, ohne ein Moment des Enthusiasmus in sich und in der Masse hervorzurufen, ein Moment, worin sie mit der Gesellschaft im allgemeinen fraternisiert und zusammenfließt, mit ihr verwechselt und als deren allgemeiner Repräsentant empfunden und anerkannt wird, ein Moment, worin ihre Ansprüche und Rechte in Wahrheit die Rechte und Ansprüche der Gesellschaft selbst sind, worin sie wirklich der soziale Kopf und das soziale Herz ist. Nur im Namen der allgemeinen Rechte der Gesellschaft kann eine besondere Klasse sich die allgemeine Herrschaft vindizieren. Zur Erstürmung dieser emanzipatorischen Stellung und damit zur politischen Ausbeutung aller Sphären der Gesellschaft im Interesse der eigenen Sphäre reichen revolutionäre Energie und geistiges Selbstgefühl allein nicht aus. Damit die Revolution eines Volkes und die Emanzipation einer besonderen Klasse der bürgerlichen Gesellschaft zusammenfallen, damit ein Stand für den Stand der ganzen Gesellschaft gelte, dazu müssen umgekehrt alle Mängel der Gesellschaft in einer anderen Klasse konzentriert, dazu muß ein bestimmter Stand der Stand des allgemeinen Anstoßes, die Inkorporation der allgemeinen Schranke sein, dazu muß eine besondre soziale Sphäre für das notorische Verbrechen der ganzen Sozietät gelten, so daß die Befreiung von dieser Sphäre als die allgemeine Selbstbefreiung erscheint. Damit ein Stand par excellence der Stand der Befreiung, dazu muß umgekehrt ein anderer Stand der offenbare Stand der Unterjochung sein. Die negativ-allgemeine Bedeutung des französischen Adels und der französischen Klerisei bedingte die positiv-allgemeine Bedeutung der zunächst angrenzenden und entgegenstehenden Klasse der Bourgeoisie.“ (MEW 1, Seite 388)

Das mag jetzt an meinem Beispiel etwas crazy wirken, aber es wird doch deutlich, oder bilde ich mir das nur ein, dass dem revolutionären Kampf (heute wäre das: dem Erarbeiten und Sichtbarmachen von linken Positionen) ein innerer Kampf vorangeht, ein zunächst innerliches Befreien von Schranken, die an der Selbstermächtigung, wie sie der marxistische Psychologe  Konrad Holzkamp – auch davon war im Blog schon zu lesen https://michael-hopp-texte.de/ein-buergerlicher-traum/.

Mit Sport mich selbst besiegen

In meinem Fall müsste ich mich da zunächst selbst besiegen, haha. Und das versuche ich jeden Tag! Mit „Kapital“-Lesen und ähnlichen Aktivitäten, davon demnächst hier mehr. Mit Radfahren. Mit Sport. Ersteres liebe, letzteres hasse ich. Morgendlicher What´s App-Chat mit Eva:

Mache hier Sport (Ich)

Hasse ich so!

Ist ohne jede Wirkung

Auch kein Hochgefühl

Nur verlorene Zeit und irre langweilig

Ganz anders das Radfahren

Da lege ich eine Strecke zurück

Da habe ich was gemacht

Turnen dagegen ist wie

Wichsen ohne Orgasmus

Würde ich nie machen!

Der Mensch ist auch nicht für Gymnastik gemacht

Das ist ja nur ein künstlicher Ausgleich gegen zu wenig Bewegung und zu viel Essen

Also auf jeden Fall künstlich

Die Leute machen es nur, um die Zeit totzuschlagen

Ist aber voll legitim! (Eva)

Warum hast du solche Wut auf alle Menschen in Dir?

Ist ja eine Wut auf mich selbst

Anger is an Energy

Die Wut. Ich weiß, Wut ist kein guter Ratgeber. Und will ich  WUTBÜRGER sein? Huch, Verwechslung! Ich bin mit mir selbst im Reinen, sagt einer der Leiter der MASCH, als ich ihn frage, wie es ihm geht. Aber „Anger is an Energy“ singt Johnny Rotten mit PIL (haben übrigens ein neues Album). Hier die Single „Penge“: https://www.youtube.com/watch?v=GZspHQfNciw

Ich bin schon wütend. Wütend und ängstlich und depressiv, das beschreibt es ganz gut. Wütend, dass zwei Drittel der Deutschen so tun, als gäbe es keinen Klimawandel. Wütend, daß die Menschen nicht verstehen, dass die ganze Klimascheisse eine direkte Folge des kapitalistischen Wachstumswirtschaftens ist. Wütend dass die Linken nicht verstehen, das darin ein revolutionäres Moment liegen könnte. Wütend auf die CDU, die trotz aller Lügen jeden Tag schon mit der AfD und der FDP dabei sind, eine rechtsrechte strukturelle Mehrheit in Deutschland aufzuziehen – und wütend, daß „die Linke“ (wer?) nicht zusammenfindet, sondern im Gegenteil, im Moment noch mehr zebricht. Machtpolitisch müsste man die Grünen nach links drücken, aber ich weiß nicht, ob das mit diesen Leuten geht. Ängstlich bin ich, was passiert, wenn sich Folgen des Klimawandels mit dem ganzen rechten Verbrecher- und Idiotentum verbinden.

Und depressiv bin ich – naja, fragt die Krähe, warum sie nicht weiter fliegt.

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