Das ist ein Thema, DAS Thema für mich, und irgendwie glaube ich, für die ganze Menschheit, ein Thema, das ich in diesem Blog seit Wochen immer wieder mal anklingen lasse, ohne es je auszuführen. Auch heute werde ich es wieder nur antäuschen, aus der Fußballersprache, ich denke, das passt. Ich, der MAC. Ich hatte eine gute, aufregende, bis heute inspirierende, nachhaltige (?) Jugend in der österreichischen Linken (ab ca. 1973), war dann ein paar Jahrzehnte mit Karriere, Kinderkriegen und teils persönlichem Chaos befasst und will den Kreis jetzt wieder schließen, um es mit dem „König der Löwen“ zu sagen, bedeutet, dort „anzuschließen“, wo ich damals aufgehört habe (geht natürlich nicht) bzw. Fragen, die sich damals schon nicht beantworten ließen, noch einmal zu stellen. Alles klar, Herr Kommissar?
Als erfolgversprechendes Instrument, hier weiterzukommen, erscheint mir das Studium des Marxismus (auch nachholend, denn „damals“ fehlte mir die Geduld), weshalb ich vor ein paar Monaten die „Marxistische Abendschule“ eingetreten bin, auch davon war hier in diesem Blog schon zu lesen.
Wer schreibt die Ideologie heute?
Was bedeutet es heute, links zu sein? Millionen Menschen streiken heute in Europa, in Deutschland, in Frankreich. Sind diese Menschen links? Wir haben einen Krieg mitten in Europa. Wer ist da links? Eine Revolution der Frauen im Iran. Sind diese Frauen links? Haben wir eine Rückkehr der „Linken“ in Amerika? Was sind die linken Positionen bei aktuellen Themen wie Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz? Die Klimafrage ist eine akute Gerechtigkeits- und Verteilungsfrage, bei der die Armen nicht nur mit Ausbeutung, sondern sogar mit dem Tod bedroht sind. Ist das eine linke Fragestellung? Nicht so richtig. Vieles tritt heute „Ideologiefrei“ auf, Ideologien haben einen schlechten Ruf. Ich würde eher sagen, die Ideologie definieren heute die anderen, das ist das Problem. Steigt die Ungleichheit? Ja. Sinken die Reallohn-Einkommen? Ja. Verpesten die Reichen die Welt 1.000 mal (echte Zahl!) so viel wie der Rest der Bevölkerung – und tragen die Armen die Last und die Kosten? JA und JA und JA. All diese Ja´s, das ist die Ideologie heute.
Was ist hier in Deutschland? Wer steht für „links“? Die SPD und die Grünen gehen nach rechts, würde ich klar so sagen. In der SPD setzen sich immer mehr die rechten „Seeheimer“ durch, den Grünen fehlt der Kompass, sie sind reine Öko-Technokraten ohne jedes Gefühl für die Menschen. Die „Linke“ kann nicht ohne Wagenknecht, aber Wagenknecht auch nicht ohne Partei. Die DKP? Das ist schon eine eigene Truppe, siehe den vorletzten MAC Blog, nicht so sexy, manchmal kann man (ich) es nur so doof sagen. Die Autonomen? Dafür bin ich zu alt und zu gehbehindert und kann nicht mehr Fersengeld geben.
Was bedeutet es heute, links zu sein? Einer wie ich, muss sich hier erstmal durch die Semantik kämpfen und womöglich dreht sich alles nur darum, daß ich hier jemanden suche, der auch Spaß hat daran hat und wie ich (generationenbedingt?) besessen ist von Zuschreibungen wie „links“, „linksradikal“, „linksextrem“, „autonom“, „linksautonom“, „antifa“ und viele andere und von dem Herausarbeiten der damit verbundenen Unterschiede … Trotzkisten, Maoisten, wir litten unter dem Sektierertum. Vielleicht reicht ja das schlichte „Marxist“ und ich bin mit der MASCH eh schon da, wo ich sein soll.
Die Semantik nimmt Bezug auf den Gegenstand in der aussersprachlichen Wirklichkeit, eventuell haben wir es bei den linken Zuordnungen eher schon mit einer ausserwirklichen Sprachlichkeit zu tun … Anderseits, auch Worte formen Realität, sonst müssten wir ja nicht gendern. Könnte es sein, dass durch den schrecklichen Niedergang (Krokodilstränen!) der „Linken“ auch das Wort „Linke“ zunächst mal verbrannt ist, abgesehen davon, dass man in Vereinsregistern oder viel wichtiger in Google-Listen gar keine freie, noch nicht benutzte Worte-Kombinationen mehr findet. Wenn sich keine Assoziationen zur Partei „Die Linken“ ergeben, wäre ich mit „links“ zufrieden, aber man weiß es nicht … Früher hatten wir noch Krücken wie „unabhängiger Linke(r)“ oder „neuer Linke(r)“, beides nicht verkehrt, aber auch irgendwie aus der Zeit.
„Linksradikal“ – aber Gewalt eher nicht
Ich selber tendiere zu „linksradikal“, „linksextrem“ ist denke ich keine Selbstbezeichnung, sondern ein Begriff, mit dem der Verfassungsschutz arbeitet. Links – ist klar. Radikal – ja, radikal muss es sein, auffällig, provozierend, an den Wurzeln (Marxismus) grabend … Könnte ich gut leben damit! Ja, ich bin linksradikal … Macht mich auch stolz! (Muss ich mir aber erst erarbeiten?) Aber, will das sonst noch wer sein? Und ich habe das Gefühl, im gleichen Augenblick, in dem ich das sage, den Bezug zur Gewalt klären zu müssen. Zum Wort „linksradikal“ fällt mir noch ein: In irgendeinem Gedenkartikel wurde vor kurzem der verstorbene Grünen-und taz-Mitbegründer Hans-Chrstian Ströbele zitiert, mit den Worten, die taz müsse eine „linke und radikale Zeitung“ sein. Schluchz. Ist sie das noch, würde sie das von sich selbst sagen? Sollte sie aber, verdammt noch mal!
Worte drucken wir auf T-Shirts, Worte formen Identität, Sprache ist auch Heimat, über Worte verbinden wir uns. Heimat. Politische Heimat. Heimat von Themen, da wo Themen hingehören, wo sie am besten aufgehoben sind – wie die soziale Frage bei den Linken. Heimat aber auch von Menschen, wo sie sich wohl fühlen, solidarisch zusammenfinden, sich organisieren, Politik machen. Geht es mir in Wirklichkeit darum, nach all den Wortklaubereien? Wo wäre da für einen wie mich Heimat? 67 Jahre alter weisser Mann, naja, das steht auch im MAC, und ist auch schon zum Kotzen.
Während meiner Jugend hatte ich meine politische Heimat in der Sozialdemokratie und an ihrer linken Peripherie. Ich sagte noch Jahrzehnte nachher, ich sei „Sozialdemokrat“, in ganz abgefuckten Phasen vielleicht nur noch geleitet von dem Grönemeyer-Minimal-Konsens „Keinen Millimeter nach rechts.“ Doch die Sehnsucht nach politischer Heimat besteht heute weiter, vielleicht noch drängender. Ich habe auch hier in Hamburg immer wieder mal versucht, Anschluß zu finden, vergeblich. Schön wäre ja auch, nicht nur zu reden, sondern auch Politik zu machen – es gibt so viel zu tun, so kindisch das auch klingt, oder klingt es überhaupt kindisch?
Meinem großen Thema kann ich mich nur scheibchenweise widmen, in kleinen Schritten, vielleicht immer wieder mal angeregt von anderen, die ähnlich empfinden. Da kommt es gerade recht, dass sich vor kurzem ein ganz ähnlich sozialisierter Freund in Wien auch auf die Suche nach politischer Heimat macht – in der originellen und bewundernswert mutigen Form, sich um das Amt des Parteivorsitzenden der SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs, bis 1991: Sozialistische) zu bewerben.
Die Bewerbung
Originaltext der Bewerbung von Manfred Klimek um den Parteivorsitz der SPÖ
Diese Mail ist meine Bewerbung für den Parteivorsitz der
Sozialdemokratischen Partei Österreichs
Berlin, 24.3.2023
Sehr geehrter Bundesparteigeschäftsführer, Genosse Christian Deutsch
werte Genoss:innen, die hier auch lesen:
Ich, Manfred Klimek, 61, Fotograf, Journalist und Autor in Berlin, bewerbe mich um den Parteivorsitz der SPÖ. Parteimitglied der SPÖ bin ich seit heute 8h früh. Ich war davor von 1979 bis 1984 bei der SPÖ-Wien-Lepoldstadt und habe die SPÖ im Dezember 1984 verlassen. Die Gründe finden sich in dem historischen Datum selbst.
Zu meiner Person erfahren Sie Näheres in dem Wikipedia-Eintrag über mich, der zudem nicht von mir, sondern von einer mir unbekannten Person verfasst wurde. Das schließt jegliche Schönfärbung aus.
Warum kandidiere ich?
Erstens: Weil ich es schwer ertragen kann, wie sich die Partei, der ich trotz Austritt 1984 mit Herz und Seele angehöre, selbst „in die Tonne tritt“ – wie man hier in Berlin treffend sagt. Beide Lager und auch neue Kandidaten aus der Partei – und das ist eine bittere Erkenntnis – sind weder intellektuell noch in Sachen Leadership in der Lage, diese große alte Volkspartei aus dem Verderb zu führen. Freundinnen und Freunde, in Österreich lebend, Urbane und Landbevölkerung (auch dort kenne ich durch meine Arbeit als Journalist viele Menschen in bäuerlichen Landwirtschaften) bekräftigen mich, endlich mit dem monatelangem Jammern aufzuhören, nicht dauernd zu quasseln, wie es denn besser ginge, sondern dieses Bessergehen selbst einzuleiten und zu verwalten.
Zweitens: Weil die beiden Elefanten, die im Raum stehen, Migration und Woke, einer intensiveren Betreuung harren – sie müssen überhaupt mal erkannt werden. Die Sozialdemokratie hat also lediglich zwei Glaubwürdigkeitsprobleme, die sie aber nicht zu meistern fähig ist. Das Versäumnis (Migration) und die Personengruppe (die oft auch zu unrecht der SPÖ zugerechneten Jakobiner von Woke und Idpol) lähmen diese Partei. Und das ist lächerlich.
Drittens: Weil eine arrogant auftretend anmutende Funktionärsschicht den Kontakt zur Bevölkerung verloren hat; weil Feigheit vor dem Volk regiert. Und nicht der Anstand, sich dem Volk und seinen Problemen zu stellen. Ein Leben in der „Firma Elfenbeinturm“.
Das alles schickt mich, diese Mail zu schreiben. Weil ich schlicht nicht glaube, dass die Partei und auch grundanständige Personen wie Sie, werter Genosse Deutsch, diese Partei aus ihrem Schlamassel hinausführen können.
Nein: Ich will, würde und kann die Partei und ihre Lager nicht versöhnen. Anstatt würde ich die Funktionäre aufrufen, an das zu denken, dem sie sich einst verschworen haben: Für jene da zu sein, die zwischen den Stühlen liegen. Damit die Menschen in Würde und Gerechtigkeit leben können. Diese Werte stehen über jeder Parteikarriere und über Partikularinteressen von Lagern und Einzelinteressen von Proponenten. Das ist, was die Partei wieder lernen muss. Und das muss wohl – so bitter das ist – von außen kommen. Von einem Quereinsteiger.
Näheres dazu, soferne man meine Kandidatur annimmt, würde ich gerne in einer Rede vor Gremien oder/und am Parteitag erläutern. Ich will mit einer Abwandlung aus einer Rede Kennedys antworten. I choose this challenge not because it’s easy, but because it’s hard.
Und harte Zeiten, die für diese Partei noch kommen, bewältigt eine jede Partei erfolgreich nur, wenn sie klar formulieren kann, wie und auf welchem Wege sie die dringlichsten Probleme des Souveräns lösen will. Die SPÖ kann das nicht. Die SPÖ hat kaum intellektuelle Antworten. Die SPÖ kreist um sich.
Ich will antreten, das zu ändern
Freundschaft
Manfred Klimek
Einstmals stolze Partei – was ist aus ihr geworden?
Mein Freund Manfred Klimek will sich in Österreich für den Vorsitz der SPÖ bewerben.Wir waren zusammen beim Wiener, er ein toller Fotograf, Journalist und Autor, der so wie ich nach der guten Zeit in Wien nach Deutschland gegangen ist. Freund ist natürlich zu viel gesagt. Habe ich Freunde, also ich, der Mann auf der Couch?
Die Kandidatur meines Bekannten Manfred Klimek wird in Wien belächelt, so sehe ich es auf wenig besuchten Facbook-Einträgen, belächelt. Schräger Vogel sagen sie, in abwertender Absicht, also wären wir nicht alle schräge Vögel, bzw. auf jeden Fall die, die sich auf diesen Social Media-Seiten „treffen“. Die SPÖ, daran sei erinnert, war, in Form der SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) die Partei des Otto Bauer, Begründer des Austromarximus, die Persönlichkeiten wie Max Adler, Rudolf Hilferding oder Karl Renner hervorbrachte. Das „Linzer Programm“ 1926 gilt als Geburtsstunde der Sozialdemokratie, die damals um die Einführung eines marxistisch geprägten Sozialismus per demokratischer Wahl kämpfte. Tolle Idee ! Ein Linie, die nach 1945 die SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) fortsetzte, allerdings nach und nach die Akzente verschob vom Klassenkampf weg zur „Sozialpartnerschaft“, in der sich Partei und Gewerkschaft als Agentur zur Vermittlung der Interessen von Arbeiterschaft und Kapital begreifen.
Mit diesem Programm fuhr der Sozialist, Jude und Emigrant Bruno Kreisky drei Mal die absolute Mehrheit ein (1971, 1975, 1979), bevor er 1983 abtrat, unter anderem, weil er an der Besetzung der Hainburger Au, dem ersten grossen Auftritt der „Grünen“ in Österreich, politisch gescheitert war. Kreisky modernisierte Österreich maßgeblich (Internationalisierung, Abschaffung des Wehrpflicht, Freigabe der Abtreibung) und sah sich zusammen mit Willy Brandt, Francoise Mitterrand und Olaf Palme in der „Sozialistischen Internationale“ als ein Vordenker der europäischen Sozialdemokratie.
Günther Nenning, der hier schon mehrmals beschrieben Mentor des jungen Manns auf der Couch, von Kreisky als „Wurstel“ bezeichnet, war Kreisky in einer tiefen Hassliebe verbunden. Nenning galt mit seiner kleinen aber feinen Journalistengewerkschaft und seiner Zeitschrift Neues Forum als aufmüpfig in seinem Bestreben, die Sozialdemokratie „nach links zu öffnen“, war oft dann aber selbst zu Kompromissen gezwungen, weil sein Verlag wie viele „linke“ Institutionen in Österreich finanziell am Tropf der und SPÖ und der Gewerkschaft hangen, die über Instrumente wie der österreichisch einzigartigen Presseförderung, Anzeigenschaltungen oder Subventionen für Vereine, fast die gesamte österreichische „Linke“ kontrollierte, damit aber auch vieles ermöglichte – wie in der Kulturpolitik einen Intendanten Claus Peymann im Burgtheater, ein „Piefke“, der von Wien aus die Modernisierung des deutschsprachigen Theaters vorantrieb und mit der Förderung von Thomas Bernhard, der den immer noch stark faschistischen österreichischen Charakter in das umweltverträglichere Stadium des Selbsthasses überführte.
Hier kommen Klimek und der Mann auf der Couch ins Spiel, denn die „Ära Kreisky“ schuf das Klima, in dem wir aufgewachsen sind und die ersten Jobs, die wir hatten, beim Forum, in gewisser Weise auch beim Wiener, dessen Eigentümer SPÖ-Werber war – eine Zeit, der wir bis heute nachtrauern. Denn was nach Kreisky in der SPÖ kam, war ein beispielsloser (naja, wird schon Beispiele geben) Niedergang, nicht nur im Zuspruch der Wähler, das ist nicht schlimmer als anderswo, sondern vor allem im politischen und kulturellen Format. Darunter leiden wir linke „Auslands-Österreicher“, von denen es ja doch einige gibt, und Manfred Klimek bringt das mit seiner aus Berlin nach Wien geschickten Bewerbung toll zum Ausdruck. Doch wir sollten nicht in die Vergangenheit träumen, sondern die Jahre, die wir noch haben, als Zukunft sehen, in der wir noch Verantwortung tragen für andere und für das Gemeinsame. Zu feierlich? Macht nichts.