Apple, Microsoft, Alphabet (vorm. Google), Amazon und Nvidia gab es noch nicht, als Karl Marx „Das Kapital“ schrieb. Das erübrigt nicht die Beschäftigung mit Marx´ Theorien, im Gegenteil, sie reichen erstaunlich weit, um auch den digitalen Kapitalismus zu verstehen. Aber sie müssen richtig angewandt und sicher auch ein Stück weiter entwickelt werden. Das ist es auch etwas, dass der MAC und die anderen Teilnehmer in der wöchentlichen „Kapital“-Lesegruppe der MASCH spüren. Hier der Link, er enthält auch das neue MASCH-Programm für das Wintersemester: https://www.masch-hamburg.de/
Ende der Werbedurchsage.
Der Volkswirtschafts- und Gesellschaftswissenschafter Stephan Krüger, er unterrichtete u.a. auch an der MASCH, ist einer, der sich seit vielen Jahren um die Weiterentwicklung des Marxismus kümmert. Demnächst erscheint seine große, datensatte Analyse „Der deutsche Kapitalismus 1950-2013“ im VSA Verlag Hamburg. In der „Jungen Welt“ veröffentliche Krüger vor kurzem (am 12. Oktober 2023) einen Aufsatz über die „Perspektive der BRD-Ökonomie“, der sich u.a. mit dem „Grünen Kapitalismus“ beschäftigt. Wie Kohei Saito (siehe Blog vom 22. September 2023) verweist er es ins Reich der Fabeln, dass eine umfassende „Digitalisierung und Dekarbonisierung der gesellschaftlichen Verkehrsverhältnisse“ ohne „gravierende Veränderungen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse“ zu erreichen sei.
Während sich Saito mehr auf die Unmöglichkeit eines „ökologischen Kapitalismus“ bezieht, ließ den MAC aufhorchen, dass Krüger auch die Digitalisierung als etwas sieht, dass sich im Rahmen des Kapitalismus nicht durchsetzen liesse – wenigstens nicht eine, die nicht kontrollierend und überwachend wirkt, sondern menschenfreundlich, unterstelle ich mal.
Diese Bemerkung lässt sich zunächst nicht mit der Alltagserfahrung zusammenbringen, dass die kommerzielle Digitalisierung mit hoher Geschwindigkeit alle Lebensbereiche durchdringt und wir daher gewohnt sind, die Digitalisierung als eine Dimension der Entwicklung des Kapitalismus zu sehen. Dass das Verhältnis zwischen Kapitalismus und Digitalisierung ein nicht so einfaches, eventuell sogar kritisches ist, darauf weist Stephan Krüger im betreffenden Beitrag nur mit ein paar Sätzen hin:
„Die Erschließung der gesamten Potentiale der digitalisierten Betriebsweise … wird be- und verhindert durch den kapitalistischen Verwertungszwang und der vom ihm ausgehenden Begrenzung der Inwertsetzung, namentlich der subjektiven Produktivkräfte sowohl im gesellschaftlichen Rahmen (General Intellect) als auch im Hinblick auf die Belegschaften in den produzierenden Einheiten. Im besten Fall können die Potentiale der digitalen Betriebsweise auf kapitalistischer Grundlage nur im begrenztem Umfang, also subopitmal, ausgeschöpft werden.“
Was meint Stephan Krüger damit genau, fragt sich der MAC und versucht, Antworten zu geben. Dass das Internet mit seinen demokratischen Potentialen („Open Source“) und der Möglichkeit graswurzelhafter Vernetzung von Menschen auch anders genutzt werden könnte und es weder in chinesischen noch amerikanischen Händen unbedingt zum Wohle der Menschen eingesetzt wird, ist das eine und soweit plausibel. Auch in einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft würde ein Internet in vielem nützlich sein, vielleicht weniger im Konsum, als in der Bildung oder der Bekämpfung der Armut. Aber was ist gemeint mit der „Begrenzung der Inwertsetzung durch den kapitalistischen Verwertungszwang“?
Fabrik ohne Arbeiter ist schlecht für den Kapitalismus
Hier kann der MAC sich zunächst nur auf persönliche Beobachtungen aus dem ihm angestammten Umfeld beziehen, der Medien-und Kommunikationsbranche. Hier wird mit fortschreitenende digitaler Transformation immer weniger verdient, Arbeitsplätze werden massiv abgebaut, die Arbeitsqualität sinkt. Die rein digitalen Unternehmen bieten kleinteilige, sinnentleerte Arbeit (wie das Texten von kommerziellen Social-Media-Einträgen in Content-Legebatterien), bezahlen nur noch einen Bruchteil und setzen auf Zeitarbeit und Homeoffice ohne feste Verträge. Eine vor kurzem noch gut geschützte Arbeitnehmerschaft ist zum Freiwild geworden, viele auch schnell ins Präkariat gerutscht. Auch aus anderen Branchen, für die der MAC im Auftrag arbeitet, ist ähnliches zu hören, namentlich der Automotive-Branche und dem Maschinenbau.
Wie lässt sich das zusammenreimen? Wie bei der Einführung der Produktionsmaschinen bietet die digitale Technik keinen Vorteil im Wettbewerb, weil sie für alle verfügbar ist, zudem zu ständig sinkenden Kosten. Das führt zu einem Wertverfall der Produkte und damit zu geringeren Marktpreisen. Auch im globalen Wettbewerb kommt der Profit unter Druck, da bisher von der High-Tech-Produktion ausgeschlossenen Regionen der Welt mit der Digitalisierung zum Zuge kommen. Seit in Autos die Qualität der verbauten Software ein maßgebliches Kriterium geworden ist, ist VW abgehängt von einer Herstellernation, bei der sich höheres digitales Know-How mit niedrigeren Löhnen verbindet.
Dazu kommt tendenziell, die Computerindustrie schafft keine Arbeitsplätze, sie vernichtet sie eher, siehe das aktuelle Beispiel der „Künstlichen Intelligenz“ (siehe dazu auch das untenstehende Interview). Und wenn es nicht funktioniert – dann ist sie ein Instrument, um Löhne zu drücken. Die Rationalisierung und Effizienzsteigerung, die wie mit früheren Wellen der Automatisierung auch mit der Digitalisierung potentiell einhergehen, entpuppen sich als doppelschneidiges Schwert. Die Seite, an der es bluten lässt: Der geringere Teil an menschlicher Arbeit, wirkt negativ auf die Akkumulation des Kapitals, weil der aus der Arbeitskraft geschöpfte Mehrwert sinkt. Das Grundgesetz, daß nur menschliche Arbeit Wert schafft, konnte von der Digitalisierung keineswegs ausgehebelt werden – im Gegenteil, es wirkt im Moment besonders deutlich, weil es wirtschaftlich um Riesenvolumen geht und alle Wirtschaftszweige angegriffen sind.
Anders als vielleicht mal angenommen: Weniger Lohnarbeit ist KEIN Glück für den Kapitalismus.
Digitalwirtschaft unterliegt den Gesetzen des Kapitalismus
Was den Kapitalismus weiter schwächt, ist die mit dem Internet beschleunigte Verschiebung von der produzierenden Industrie zur Dienstleistung, an der es nie viel zu verdienen gibt – es sei denn, man skaliert die einzelnen Verkaufsvorgänge in Milliarden-Dimensionen – wie es Amazon weltweit tut. Und hier könnte ein weiterer Grund liegen, warum die Digitalisierung dem Kapitalismus, wie er in Deutschland vorherrschend ist in seiner gemischten Struktur aus Industrie und Mittelstand, eher schadet als nützt: Das digitale Geschäft bildet schnell dominierende Monopole aus, wie es die zu Beginn erwähnten Top Five der „wertvollsten Unternehmen“ der Welt sind, die vier mal mehr Geld haben, als alle weiteren auf der Liste angeführten Unternehmen zusammen. Ein iPhone wäre bei einigen tausend verkauften Exemplaren niemals kostendeckend herzustellen – das funktioniert nur, wenn Millionen verkauft werden. Auch Amazon verdient nicht viel, wenn eine Packung Damenbinden verschickt wird – tut es aber, wenn dies millionenmal passiert.
Globalisierung und das Hochskalieren kleiner, für sich wirtschaftlich unattraktiver Herstellungs- oder Vertriebsschritte, ist das Erfolgsrezept der Top 5 – ein Konzept, das den (Arbeits-)wert basierten Kapitalismus umschliesst und zu erdrücken droht. Die digitalen Mega-Monopole und ihre Kartelle haben den sonst vielbeschworenen und für den Kapitalismus typischen Wettbewerb ausser Kraft gesetzt. Gerade in die letzten Monaten sind in Deutschland jede Menge hochgepäppelter „Start Ups“ Pleite gegangen, die auf den digitalen Märkten Fuß fassen wollten. Fast tut dem MAC der alte Kapitalismus schon leid.
Die kapitalistische Logik gilt in der Digitalwirtschaft auch insofern ungebrochen, als menschliche Arbeitskräfte da, wo sie gebraucht werden, entsprechend unterirdisch behandelt werden, bis hin zu einer neuen regelrechten Sklavenarbeit unter den „Click-Workern“, die unsichtbar versteckt sind im globalen Süden, die mit stupider, gesundheitsgefährdender Kontrollarbeit am Bildschirm überhaupt erst möglich machen, was stumpfsinnige KI angeblich alles kann. Dass dies „suboptimal“ ist, damit hat Stephan Krüger recht, wenn er es so gemeint hat.
Meredith Whittaker: Staaatsfeind Nr. 1 im Silicon Valley
Meredith Whittaker ist die Chefin der verschlüsselten Chat-App Signal. Davor hat sie 13 Jahre lang bei der bekanntesten Suchmaschine der Welt gearbeitet – und hautnah die Datensammelwut des Unternehmens miterlebt.
Bei Whatsapp mit Freunden schreiben? Menschen, die was auf Datenschutz geben, ist das zu unsicher. Sie steigen auf Alternativen wie Signal um. Seit März 2022 ist der Messenger auf mehr als 100 Millionen Android-Geräten installiert. Dessen Chefin, Meredith Whittaker, ist im Silicon Valley eine Art Staatsfeind Nr. 1. Noch während sie bei Google arbeitete, stach sie Informationen an Whistleblower durch und sorgte dafür, dass sogar Projekte von nationaler Tragweite zu Fall kamen.
Der Artikel erschien zuerst in „der Freitag“, Nr. 37 vom 14.September 2023
Frau Whittaker, Sie haben vor Ihrer Zeit als Signal-Chefin 13 Jahre lang bei Google gearbeitet. Wie war das so?
Meredith Whittaker: Ich habe 2006, direkt nach dem College, bei Google angefangen. Das Unternehmen war damals viel unbedeutender als heute. Gemessen an den Besuchern war Yahoo eine viel größere Webseite. Das iPhone war auch noch nicht erfunden. Wir haben uns Wegbeschreibungen auf Papier ausgedruckt, wenn wir irgendwohin wollten. Das war eine ganz andere Zeit. Ich habe damals bei Google angefangen, weil ich einen Job brauchte und sie mich eingestellt haben, und nicht, weil ich mich besonders für Informatik interessiert habe. Ich habe dann im Bereich der Datenanalyse gearbeitet – Googles Kerngeschäft.
Was haben Sie in dieser Zeit über das Unternehmen gelernt?
Ich habe nach und nach verstanden, was die Chefs antreibt. Nach aussen geben sie vor, dass Google eine Suchmaschine zur Verfügung stellt und weitere Tools baut, die den Menschen nützen. Tatsächlich ist Google aber ein Überwachungsunternehmen, das sich als Serviceunternehmen für die Verbreitung von Wissen tarnt. Der Überwachungsbereich wurde über die Jahre, die ich dort war, immer wichtiger. Mit den gesammelten Datenmengen verdient Google Geld und räumt Konkurrenten aus dem Weg. Dann habe ich angefangen kritische Studien darüber zu lesen.
Sie haben sich nicht nur informiert, sondern sind aktiv geworden und haben Ihre Kollegen organisiert. Alles ging los mit den Protesten gegen das „Project Maven“ – eine Kooperation von Google und dem Pentagon.
Das war 2017, als ich bereits innerhalb und außerhalb des Unternehmens bekannt war als jemand, die sich kritisch mit den sozialen Auswirkungen von künstlicher Intelligenz beschäftigt. Ende des Jahres kontaktierte mich ein Kollege und sagte: Es gibt einen geheimen Vertrag zwischen Google und dem Verteidigungsministerium, um eine künstliche Intelligenz für das illegale Drohnenprogramm der USA zu entwickeln. Mir war sofort klar, dass ich Widerstand organisieren muss, wenn ich mich weiter im Spiegel anschauen will. Also haben wir Petitionen verfasst und Informationen an Journalisten weitergegeben, um den Druck zu erhöhen. Google ist dann vom Project Maven zurückgetreten.
Sie sind außerdem eine der Initiatorinnen des „Google Walkout“, eines internationalen Streiks, der am 1. November 2018 stattfand und an dem 20.000 Google-Beschäftigte in vielen Ländern teilnahmen. Wie kam es dazu?
Gegen Andy Rubin, einen hoch bezahlten Programmierer bei Google, waren berechtigte Vorwürfe der sexuellen Belästigung laut geworden und Google wollte ihm 90 Millionen Dollar Abfindung zahlen. Das passierte zu einer Zeit, in der die Frauen bei Google herausfanden, dass sie viel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Wir waren nach Project Maven gut organisiert. Es fanden regelmäßige Treffen statt, auch weltweit. Das war außerdem der Startschuss für die Gründung der „Alphabet Workers Union“, einer der ersten Gewerkschaften im Silicon Valley bei einem Big-Tech-Unternehmen.
Sie verließen Google, um das „Al Now Institute“ zu gründen.
Das habe ich schon 2016 gegründet. 2017 war klar, dass Google mich rausschmeißt – wegen der Proteste und weil ich meine Kollegen organisiert habe. Das AI Now Institute ist das erste universitäre Forschungsinstitut, an der New York University, das sich ausschließlich mit den sozialen Auswirkungen von KI beschäftigt. 2014/15 drehte sich bei Google auf einmal alles um maschinelles Lernen, der Hype ging los. Ich wollte einen Ort schaffen, der kritisch ist.
Auch alle anderen Big-Tech-Unternehmen investieren seit Jahren hohe Summen in künstliche Intelligenz. Warum eigentlich?
KI ist eine gute Möglichkeit für diese Konzerne, die Macht und ihren Profit, die sie aufgrund von Überwachungsdaten schon besitzen, noch weiter auszubauen. KI ist ja bloß ein Marketingbegriff für etwas, das es seit über 70 Jahren gibt. Was sich verändert hat, ist nicht die Technologie selbst – es sind die Datenmengen, die immer größer werden. Und die leistungsfähige Recheninfrastruktur.
KI dringt in unseren Alltag vor.
Und wie! Vorher war Google bloß eine Suchmaschine, jetzt sind sie in der Gesundheitsversorgung aktiv. Eben noch hat Microsoft eine bekannte Textverarbeitungssoftware angeboten, auf einmal sind sie im Bildungsbereich und in den Schulen omnipräsent. Früher sind wir nur Auto gefahren, jetzt filmt und speichert ein Tesla mit mehreren Kameras seine Umgebung, auch Unbeteiligte. Und plötzlich sieht es so aus, als ob selbst staatliche Institutionen nicht mehr auf künstliche Intelligenz verzichten können. Dabei haben wir weder Zugang zur technischen Infrastruktur noch zu den Daten, die die großen Tech-Konzerne besitzen. Über die Macht, die mit dem Besitz dieser Daten einhergeht, wird fast gar nicht gesprochen. Nur über das angebliche Wunder der künstlichen Intelligenz.
„Die meisten Jobs in diesen Unternehmen sind schrecklich.
Und die High-Tech-Konzerne tun alles dafür, damit sie unsichtbar bleiben“
Das „Time Magazine“ berichtete vor kurzer Zeit über unwürdige Zustände in kenianischen KI-Fabriken.
Die meisten Jobs in diesem Bereich sind schrecklich und die Tech Un-ternehmen tun alles dafür, dass diese Jobs unsichtbar bleiben. Amazon verspricht den Kunden, dass alles, was sie bestellen, in wenigen Stunden und Tagen bei ihnen ist. Die Arbeit, die dafür verrichtet werden muss, bleibt im Verborgenen. Wir sehen nicht, ob die Person, die das Buch verschickt, sich verletzt hat. Wir sehen nicht, ob der, der das Buch verlädt, eine lange Schicht hat, wie wenig er verdient und wie viel Druck er auf der Arbeit hat.
Eine neue, magische Geschichte der Tech-Unternehmen ist, dass künstliche Intelligenz menschliche Arbeit ersetzt.
Sie ersetzt oft eine Tätigkeit, die ein Mensch vorher erledigt hat, und dafür werden neue Tätigkeiten geschaffen, die oft unsichtbar und auch schlecht bezahlt sind. Denken Sie nur an die Selbstbedienungskassen, die die Kassierer ersetzen – und jetzt stehen Menschen daneben, die die Käufer einweisen, die selbst kassieren sollen. Dieses Prinzip wird aber verschleiert und ist nur selten sichtbar. Tech-Kon-zerne könnten ihre KI-Mythologie viel schlechter vermarkten, wenn sie anerkennen müssten, dass Zehntausende Arbeiter nötig sind, um die Maschine am Laufen zu halten, und dass diese Arbeiter die Intelligenz der Maschine und nicht zu ersetzen sind.
Wie sieht diese Arbeit aus?
Es ist harte, extrem traumatisierende Arbeit. Algorithmen stellen sicher, dass wir in den sozialen Netzwerken keine anstößigen Bilder sehen. Dafür braucht es aber Content-Moderatoren, die am laufenden Band mit verstörenden Bildern konfrontiert sind. So ist es auch bei ChatGPT. Es ist wichtig, dass wir immer wieder auf diese Arbeitsbedingungen hinweisen. Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob wir anerkennen, dass die Tools, die wir nutzen, von Menschen in Gang gehalten werden oder oder ob wir sagen, dass dieses Tool ein intelligentes System ist, das von alleine läuft und von einem Genie programmiert worden ist.
Können sich die Arbeiter irgendwie wehren?
Einige der kenianischen Content-Moderatoren haben mittlerweile eine Gewerkschaft gegründet. Sie fordern Anerkennung ihrer Arbeit, besseren Lohn und finanzielle Entschädigung. Amazon verdient viel Geld mit der Arbeitsvermittlungsplattform „Amazon Mechanical Turk“. Dafür arbeiten sogenannte Clickworker zu Hause und haben teilweise nur Aufträge, die ein paar Sekunden dauern. Manche von ihnen organisieren sich mittlerweile über Chatgruppen, tauschen sich über ihre Arbeitsbedingungen aus und versuchen herauszufinden, wie sie sich organisieren können, obwohl sie räumlich getrennt sind.
In den USA haben gerade die Drehbuchautoren der Filmindustrie gestreikt. Da geht es auch um künstliche Intelligenz.
Die Gewerkschaften in den USA sind sehr schwach, viel schwächer als in Europa. Nur ein geringer Prozentsatz der Industrien ist gewerkschaftlich organisiert. In Hollywood gibt es allerdings ein paar sehr mächtige Gewerkschaften: zum Beispiel die Writers Guild, die Screens Actors Guild oder die Directors Guild. Wenn man in Hollywood arbeitet, kommt man nicht drum herum, in einer der Gewerkschaften Mitglied zu sein. Aktuell werden die Verträge der Drehbuchautoren neu verhandelt, und es ist ein Showdown mit den Streamingdiensten. Die Arbeitsbedingungen und Löhne sind dort viel schlechter, viel weniger geregelt als bei den traditionellen Studios. Die Streamingdienste nutzen KI als Vorwand, um Arbeitsbedingungen zu verschlechtern und die Löhne zu drücken.
Sie behaupten, sie könnten die meisten Jobs durch KI ersetzen.
Damit streuen sie Angst in der Branche, dass es viele Jobs bald nicht mehr gibt. Die Screen Writers Guild hält aber dagegen und sagt: Wir als Gewerkschaft wollen mit-bestimmen, welche Arbeit überhaupt durch KI ersetzt werden darf! Sie fordern, dass die Beschäftigten und nicht die Konzerne über die Einführung von KI-Tools entscheiden. Sie lehnen also nicht künstliche Intelligenz als Ganzes ab, sondern wollen nur über ihre Arbeitsbedingungen mitbestimmen.
Auch im Journalismus gibt es eine Debatte über den richtigen ethischen Umgang mit KI. Ist unser Berufsstand bedroht?
KI kann die Arbeit von Journalisten höchstens unterstützen, nicht ersetzen. Vielleicht werden Inhalte publiziert, die plausibel aussehen, aber generative KI hat kein Verständnis dafür, was Wahrheit ist. Es werden einfach Worte aneinandergereiht. Im Journalismus sollte es aber darum gehen, uns allen zu helfen, eine Meinung zu bilden und gute Entscheidungen zu treffen. Es gibt für mich keine Welt, in der es sinnvoll wäre, Journalisten durch KI zu ersetzen. Wenn Sie allerdings Journalismus so sehen wie Jonah Peretti, der CEO von Buzzfeed, dann macht KI schon Sinn. Weil es bei diesen Unternehmen darum geht, Inhalte um der Inhalte willen zu verbreiten und damit möglichst viel Geld zu verdienen.
Ich nutze Signal, die meisten Menschen in meinem Umfeld nutzen Signal, aber sobald ich meine Blase verlasse, wissen viele nicht mal, dass Signal existiert.
So ist es mit vielen Tools, Apps und sozialen Netzwerken, die vielleicht eine gute Alternative zu den privatwirtschaftlichen der Tech-Unternehmen wären.
Wie können diese Angebote für viele Menschen attraktiver werden?
Signal ist schon jetzt für viele Millonen Nutzer attraktiv. Aber es stimmt, wir können mit anderen noch nicht konkurrieren. Für viele ist es auch nicht ausschlaggebend, ob es eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gibt oder dass wir zu einer Stiftung gehören und keine Profite machen. Die wollen einfach mit ihren Bekannten chatten. Die bekommen vielleicht eher mit, wenn wir lustige Bilder und Sticker integrieren oder wenn sie auf einmal Video-Status-Updates machen können. Wir verändern uns in der Hinsicht gerade enorm. Auch die sicheren, nicht-privatwirtschaftlichen.
Tools müssen Spaß machen dürfen. Dann werden sie für mehr Menschen attraktiv.