Ich bin schuld! Wer „Mann auf der Couch“ gelesen hat, kennt das Lamento. Der MAC ist schuld an allem, sogar an seinen Schuldgefühlen. Die vielen Seiten im Buch beziehen sich auf die nach 20 Jahren Psychoanalyse bruchstückhaft eingesammelte Diagnose, der MAC leide schon seit der Kindheit an eine regelrechten Schuld- und Schamsucht, in deren Folge er sich immer wieder in Situationen bringt, in denen er sich schuldig fühlen bzw. schämen kann. Die Neurose sitze so tief, dass der MAC – trotz in der Analyse antrainierter guter Selbsterkenntnis – keine Möglichkeit hat, umzusteuern. Er ist, um Euch einmal mehr das wunderbare Zitat von Sigmund Freund vorzuführen, nicht „Herr im eigenen Haus“. Schuld ist der MAC auch an seinen Schulden bzw. an der Neigung, immer wieder neue zu machen, was zuletzt wieder seine soziale Situation stark verschlechtert hat – und am Ende weitere Menschen wie Partner, Kinder, Mitarbeiter mit in den Scham- und Schuldstrudel reisst. Die Neurose (MACs Vater litt schon darunter) frisst ihre Kinder- und Kindeskinder …. Die business-mässige Form des Schuldigfühlens ist übrigens das Verantwortung-Übernehmen. Erst letzte Woche hat der MAC in seiner Arbeit für einen Fehler „die Verantwortung“ übernommen, bevor überhaupt danach gefragt wurde, wer denn verantwortlich sei – und damit, unter Umständen, die Lage für sich und seine Mitarbeiter vielleicht nicht unbedingt verbessert.
Ich bin schuld! Jetzt natürlich gerne auch am Klimawandel. Kuhmilchtrinker, Schweinebratenfresser, BMW-Fahrer (war einmal). Plattensammler. Volle-Wanne-Bader. Alles klar! Und damit nicht in schlechter Gesellschaft. Weil es mit dem Umsteuern in Richtung auf ein klimaschonenderes Leben in Deutschland nicht so recht weiter geht, besteht schon seit längerem der Bedarf an einem Narrativ, einer „Story“, warum denn all der Aufwand getrieben werden soll. Die Bereitschaft, auf den Mallorca-Flug zu verzichten, sinkt demoskopisch immer dann auf Null, wenn Gestalten wie Friedrich Merz „auch mal – relativierend – sagen müssen“, daß Deutschland schließlich weltweit nur für zwei Prozent der Emissionen verantwortlich sei und damit „wohl klar“ sein, daß das Klima „nicht in Deutschland gerettet“ werde.
Hilfe kommt von zweifelhafter Seite. Wenig beachtet sagte der argentinische Papst Franziskus schon im März 2021 der italienischen Tageszeitung „Corriere delle Sera“. „Eine große Sintflut, vielleicht durch einen Temperaturanstieg und das Schmelzen der Gletscher: Das ist es, was passieren wird, wenn wir auf dem gleichen Weg weitergehen.“
„Die meisten wissen schon noch, was eine Sünde ist.“
Ähnliche Töne schlägt, zum dieser Tage stattfindenden Kirchtentag, die evangelische Kirchenchefin Annette Kurschus an, wenn sie vorschlägt, Begriffe wie Sünde oder Schuld wieder stärker zu verwenden: „Die Begriffe sind heute mindestens so bedeutsam wie zu biblischen Zeiten. Sünde will ich auch Sünde nennen. Die meisten wissen schon im tiefesten Inneren, was das ist.“ Gefragt, was denn heute denn Sünde sei, sagt sie: „Der Wahn, aus dem Leben alles rauszuholen, was irgendwie geht. Uns um selbst zu drehen, und so zu tun, als gehöre und die Erde.“ Dementsprechend wäre ein nicht-nachhaltiger Lebensstil ein sündiger Lebensstil, eventuell, das sagte Kurschus nicht, bieten sich dann auch Instrumente wie die Beichte wieder an, um den armen Sündern Erleichterung zu verschaffen. Und zur Sünde gehören natürlich auch Schuldgefühl und Scham – was für Euren alten MAC die Welt gleich wieder in Ordnung bringt. Heissa!
Mit einem ganz anderen Ansatz bemüht Peter Frankopan, Professor für Globalgeschichte in Oxford, das Bild von der Sintflut im Zusammenhang mit dem heutigen Klimawandel. Den Autoren des Alten Testaments sei es darum gegangen, Erklärungen für Naturkatastrophen zu finden – und mit diesen starken Bildern die Menschen zu bedrohen, was geschähe, wenn sie nicht auf den Pfad der Tugend zurückkehren. Frankopan erklärt in einem Interview mit der wochen taz noch weitere Zusammenhänge zwischen klimatischen Ereignissen und Sozialgeschichte, etwa n der Entwicklung des Sklavenhandels oder der Verfolgung von Minderheiten – das ist so interessant, dass ich mir erlaube, als zweiten Beitrag dieses Blogs, den Beitrag aus der taz zu bringen (drucken sagt man nicht).
Aus marxistischem Blickwinkel stellt es einem natürlich sofort die Haare auf, wenn (für die Menschen) sinnlose Naturereignisse dazu genutzt werden, den Menschen Angst zu machen und sie zu manipulieren – allerdings ist der Umgang mit dem gerade angesagten Übereinanderlegen von Sintflut und Klimawandel nicht ganz so einfach. Zu einem ist es eine starke Analogie, ein Bild, dem man sich schwer zu entziehen vermag, zum anderen ist der Kontrollverlust von uns Menschen, den so eine Sintflut zeigt (ganz gleich, ob da Noah angeschippert kommt oder nicht) ein angesichts der realen Wärmezunahme ein inzwischen nicht komplett unrealistisches Szenario. Viele Menschen, vor allem Jüngere, empfinden heute diesen Kontrollverlust und trauen der Gesellschaft nicht mehr zu, die Kontrolle zurück zu erlangen.
Das wäre eine neue Dimension in der Politik, mir der es noch keinen Umgang gibt – es wäre aber auch ein Gegensatz zum Marx´schen Diktum, der Mensch sei das höchste Wesen auf Erden: „Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ *
Mit Marx wäre der Klimawandel ein von Menschen erzeugtes Phänomen, das nur vom Menschen selbst gelöst werden kann – und zwar ohne ideologischen aufgepimpten Katastrophenfilm, sondern schlicht und jederzeit auf materialistischer Grundlage durch den Rückbau jener Faktoren in der Produktion und im Alltag, die das Klima belasten. In einer marxistischen Welt brächte übrigens schon das Zurückdrängen der Superreichen einiges an Erleichterung, die einen 48 mal höheren CO2-Fußabdruck haben als wir arme Teufel. Auch dass eine marxistische inspirierte Gesellschaft weniger auf Profit und sinnlosem Konsum aufbaut, wäre ein Vorteil für das Klima, das aber nur am Rande.
Allerdings, die neue Richtung des „Post-Humanismus“, oder auch die biologisch orientierte „Life Science“, bezweifeln inzwischen das bisher als selbstverständliche angesehene Primat des Menschen, wenn es um Problemlösung geht, in dem sie in die Richtung weisen, der Mensch solle nicht sein Verhältnis „zur“ Natur klären, sondern verstehen, daß er selber Teil dieser Natur ist. Sie plädieren eine gleichberechtigte Koexistenz nicht nur mit den Tieren und Pflanzen, sondern vor allem auch mit den Viren und Bakterien.
* MEW, Bd. 1, S. 385
„Menschen sind Metaorganismen„
Schon vor zwei Jahren, zur Corona-Zeit brachte „Hopp und Frenz Content House“(HuF) in seinem damaligen Blog „Content und Verzweiflung“ das folgende Interview (Auszug):
Müssen wir uns vor Bakterien und Viren fürchten? Ganz im Gegenteil, rät Prof. Dr. Thomas C. G. Bosch, Leiter der Forschungsbereiche „Life Science“ und „Origin and Function of Metaorganisms“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Im Interview spricht er über die hohe Bedeutung von Mikroorganismen für unsere Gesundheit und erklärt, weshalb wir ohne sie gar nicht existieren können.
Herr Prof. Bosch, Sie bezeichnen den Menschen als Metaorganismus. Was meinen Sie damit?
Ein Körper wird oft als ein einzelnes Lebewesen wahrgenommen. Dabei handelt es sich bei jedem Lebewesen generell um eine komplexe Lebensgemeinschaft. Ein erwachsener Mensch setzt sich beispielsweise aus rund 30 Billionen Körperzellen zusammen. Hinzu kommen mehr als 39 Billionen Bakterienzellen, die in, auf und zwischen den Körperzellen leben. Die Anzahl von Viren ist sogar noch größer. Alle Oberflächen des Körpers, die Haut, der Darm, die Atemwege sind von einem stabilen Mikrobiom besiedelt. Wie Sie sehen, sind Sie also niemals allein. Oder anders ausgedrückt – es gibt im Prinzip keine Individuen. Jedes Lebewesen ist ein mit seiner Umwelt verbundenes Ökosystem oder genauer; ein Metaorganismus. (Ende Zitat)
In eine ähnliche Kerbe schlägt ganz aktuell die Post-Humanistin Rosi Braidotti, die das „westliche Denken für überholt“ hält, nämlich die „Dualität“ von Mensch und Natur. Braidotti sagt, wir müssen das „Spektrum der sozialen Akteure um nicht menschliche Beteiligte wie Pflanzen und Tiere, Organismen und Kleinstlebewesen erweitern“, um der Verflochtenheit der Wirklichkeit gerecht zu werden. Die dualistische Weltanschauung helfe uns nicht mehr, zu verstehen, wie Natur und Kultur heute interagieren. In einem Interview mit Die Zeit (7. Juni 2023) sagt sie: Wir sind alle Variationen innerhalb ein- und derselben Natur, auch wenn wir in uns nach unseren Fähigkeiten und dem Grad der Intelligenz unterscheiden. Wir sind alle nomadische Subjekte, immer in Bewegung und immer schon ein Hybrid aus verschiedenen Welten und Codes.“
Und an die Adresse des Marximus: „Der Marxismus sagte, der Kapitalismus werde zusammenbrechen, aber stattdessen breitete sich der Kapitalismus aus. Weil wir nicht verstanden hatten, wie Macht funktioniert. Macht wandelt sich. Sie breitet sich nicht linear aus, sondern bewegt sich zickzack. Wie eine Hydra.“
Was ist dieser Blog eigentlich? Naja, Stoff zum Nachdenken, hoffe ich.
„Götter belohnen Menschen für ein nachhaltiges Leben“
Seit der Sinftlut führen Klimaphänomen zur gesellschftlichem Wandel, meist nicht zum Besseren. Interview mit Peter Frankpan, Professor für Globalgeschichte
Herr Frankopan, Ihr aktuelles Buch „Zwischen Erde und Himmel“ widmet sich der Menschheits-und vor allem der Klimageschichte.
Letztere reicht weit zurück, in eine Zeit, wo es noch keine Menschen auf der Erde gab.
Wozu braucht es den Blick in die Vergangenheit, um klimatische Veränderungen besser zu verstehen, die jetzt stattfinden?
Peter Frankopan: Mein Beitrag als Historiker besteht darin, herauszufin-den, wie sich Dinge in der Vergangenheit zugetragen haben. Und darauf zu schauen, was wir daraus lernen können. Gerade bei komplexen Problemen wie dem Klimawandel hilft der Blick zurück, um den Kontext für erweiterte Perspektiven zu schaffen. Ich wollte zudem verstehen, wie wir an diesen Punkt gelangen konnten, an dem Experten nun davon sprechen, dass wir uns inmitten des sechsten Massenaussterbens befinden.
Und dafür ist der Rückblick tatsächlich der richtige Weg?
Ich finde schon. Wir brauchen aber einen umfassenderen Weg, um Geschichte zu denken. Einen anderen als etwa zu meiner Schulzeit. Wenn ich mich zurück erinnere, setzte da der Geschichtsunterricht bei den alten Ägyptern ein und zog sich von dort an bis zur jüngeren Vergangenheit. Meist ging es um einflussreiche Männer und deren Taten. Das hat sich heute sicherlich etwas gebessert, Trotzdem denken wir bei Geschichte häufig ausschließlich an die der Menschen. Kurz gesagt: Wir sind uns zwar unserer Umwelt bewusst, schenken ihr aber historisch gesehen zu wenig Aufmerksamkeit. Da habe ich versucht, mit meinem Buch anzusetzen. Dementsprechend schaue ich auch darauf, wie die Welt vor 10, 20, 30 oder 50 Millionen Jahren ausgesehen hat.
Und das hilft uns dabei, Antworten darauf zu finden, wie wir mit dem Klimawandel umgehen können?
Es gibt zumindest eine ganze Reihe von Lektionen, die man aus der Geschichte ziehen kann. Man muss sie aber aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven betrachten, andere Schwerpunkte setzen.
Wie meinen Sie das?
Uns kommt der Klimawandel jetzt im 21. Jahrhundert sehr akut vor, zu Recht. Gesprochen und geschrieben wird darüber aber schon lange. Anstatt also zu denken, dass wir alle ökologischen Probleme aktuell zum ersten Mal lösen müssten, schauen wir doch vielleicht einmal besser zurück in die Vergangenheit.
Und, was sehen wir da?
Jüngste Klimadaten gewähren beispielsweise Erkenntnisse zu einer sehr unruhigen Zeit im Römischen Reich um die Mitte des dritten Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung. Einige Experten versuchen hier Verbindungen zwischen einem reduzierten Niveau der Sonnenaktivität, der Ausdehnung des Meereises und mehreren größeren Vulkanausbrüchen zu ziehen. All diese Faktoren wiederum sollen zu einer schnellen Abkühlung des Klimas, zur Störungen der Nahrungsmittelproduktion und zu einer Reihe politischer wie ökonomischer Krisen geführt haben.
An mehreren Stellen in Ihrem Buch stellen Sie auch einen Zusammenhang zwischen klimatischen Veränderungen und der Verfolgung von Juden und Jüdinnen her. Was hat es damit auf sich?
In Zeiten von Nahrungsmittelknappheit und hohen Preisen werden leider immer wieder Sündenböcke gesucht. Das können wir aktuell auch wieder beobachten. Historisch lässt sich da ein Muster erkennen. Es zeigt etwa, dass, wenn die Vegetationsperiode im vorangegangenen Fünfjahreszeitraum ungewöhnlich kühl ausfiel, die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger antisemitischer Übergriffe deutlich anstieg.
Kann man dies so eindeutig feststellen?
Es gibt inzwischen zahlreiche Daten aus europäischen Ländern und Städten, die diesen Zusammenhang ab den 1090er Jahre dokumentieren. In anderen Teilen der Welt war das nicht anders. Dort traf es dann jeweils andere Minderheiten. 1321 in Ägypten waren es Christen, die man zu Sündenböcken machte. Zusammenfassen könnte man es so: Je schlechter die Witterung, umso mehr wurden Minderheiten Ziel von Angriffen.
Auf den knapp 1.000 Seiten Ihres Buches kommen Sie auch auf den transatlantischen Sklavenhandel zu sprechen. Warum?
Die Frage, die sich im Zusammenhang mit dem transatlantischen Sklavenhandel stellt, ist, warum die Europäer, also die Spanier, die Portugiesen und dann die Briten, die Holländer und die Franzosen ihre Plantagenkomplexe nicht einfach in Westafrika gebaut haben. Die Böden dort sind sehr fruchtbar. Warum also dieser massive Aufwand, Menschen in die Vereinigten Staaten zu verschiffen?
Das wäre jetzt eigentlich meine Frage gewesen …
Und ich beantworte sie: Zunächst einmal gelang es den Europäern lange nicht, in westafrikanische Länder vorzudringen. Der dort geleistete Widerstand hinderte sie daran. Einige Historiker gehen zudem davon aus, dass die Europäer auch nicht resistent genug waren. Reihenweise erlagen sie der Malaria oder dem Gelbfieber. Und viele dieser Krankheitserreger gab es in den Amerikas vor der Kolonisierung zum Beispiel noch gar nicht.
Die Malaria breitete sich also erst mit dem Sklavenhandel in Amerika aus?
Genau. Wobei auch bereits erste spanische und portugiesische Kolonisatoren und Siedler die Erreger nach Süd-und Mittelamerika gebracht haben könnten. Die Malaria-Krankheit war ja schon zur Zeit der Conquista auf der Iberischen Halbinsel verbreitet. Im Süden der späteren Vereinigten Staaten kam es laut der aktuellen Forschung dann ab den 1680er Jahren zu einer Ausbreitung. Das kostete viele Siedler ihr Leben, auch die First Nations waren stark betroffen. Der Sklavenhandel wurde damals weiter massiv ausgebaut, schreiben Sie.
Sie wollen auf die sogenannte Malariaprämie hinaus, nehme ich an?
Exakt. Mit den an Malaria dahinsiechenden Einwohnern in den Südstaaten wuchs die Nachfrage nach Zwangsarbeitern. Beliebt waren deshalb Menschen aus besonders malariaverseuchten Gebieten Afrikas, etwa aus den Ländern an der Goldküste. Sie galten als besonders robust, auch aufgrund einer genetischen Malaria-Immunität, und konnten dementsprechend zu höheren Preisen verkauft werden. Anders also als von Sklavenhändlern und -haltern häufig kolportiert, waren die Versklavten nicht nur in keiner Weise „minder-wertig“: Sondern im Gegenteil im biologischen Sinne physisch stärker und genetisch besser vorbereitet auf das Leben in der vermeintlich Neuen Welt.
Ihre Klimageschichte beginnen Sie mit einem religiösen Narrativ, dem Garten Eden. Warum dies?
Religiöse Texte gehören zu den frühesten überlieferten Schriften. Wenn wir an Christen- und Judentum oder an den Islam denken, tun wir gern so, als ob es sich um eine Art übernatürliches Glaubenssystem handele. Und neigen dazu, dies zu diskreditieren. In vielen Teilen der Welt sieht man das anders. Auch moderne Umweltbewegungen wie Fridays for Future könnte man Ähnlichkeiten mit religiösen Bewegung nachsagen.
Mit Greta Thunberg als Jesus?
Oder als Hohepriesterin (lacht). In gewisser Weise führt sie eine Gruppe von Menschen an, die funktionieren, aussehen und sich verhalten, wie man sich Religiöse vorstellt. Was ich damit sagen möchte? Wir neigen dazu, den überlieferten Religionen einfach die rationale Grundlage abzusprechen. Dabei versuchten auch religiöse Geschichtsschreiber schon früh wissenschaftliche Erklärungen für das zu finden, was buchstäblich vom Himmel kam: Sonne und Regen. Oder für Erdbeben und Naturkatastrophen.
Wie etwa für die Sintflut im AltenTestament?
Die Geschichte über die Sintflut gehört zu den Schlüsseltexten im Buch Genesis. Sie wird aber auch in sumerischen, mesopotamischen und ägyptischen Chroniken beschrieben. Sie zeigt anschaulich, wie versucht wurde, Erklärungen für Naturkatastrophen zu finden, um darauf zu reagieren. So belohnen die Götter diejenigen Menschen, die ein nachhaltiges Leben führen, während sie die anderen mit Umweltkatastrophen bestrafen. Die Menschen damals waren nicht unwissend. Sie versuchten sich die Welt auf die für sie mögliche Weise zu erklären. Was sie herausgefunden haben, davon können wir noch heute lernen.
Peter Frankopan, geb. 1971, Professor für Globalgeschichte an der Universität Oxford in England. Arbeitsschwerpunkte: Byzantinisches Reich, Mittelmeerraum, Osteuropa, Islam und Christentum.Vorherige Bücher u. a.: „Licht aus dem Osten“ (2015), „Die neuen Seidenstra-Ben“ (2018).
Peter Frankopan: Zwischen Erde und Himmel. Klima – eine Menschheitsgeschichte“, Dt. v. Henning Thies und Jürgen Neubauer. Rowohlt Verlag, Hamburg 2023, 1.024 Seiten, 44 Euro