1. Mai auf LSD

Wie soll ich´s sagen? Will das überhaupt jemand wissen?  Also. Nachdem die Ebenen in diesem Blog bisher sauber getrennt waren, da die neuen Texte, in denen der „Mann auf der Couch“ in der dritten Person vorkommt („der MAC“), sozusagen Abstand von sich gewonnen hat (oder auch sucht?) – und dort die Buchauszüge, in der Ich-Form. Zwei Sorten.

Heute gibt es was neues, nämlich einen “Auszug”, der nicht im Buch ist. Also eher das Prinzip des Fortsetzungsromans. So wie, ich weiß, kein Vergleich, John Updike fünf Rabbit-Romane geschrieben hat, immer dann, wenn ihm zu der Figur wieder was einfiel. Allerdings schrieb Updike mehr oder weniger am Leben des Harry Angstrom entlang, während ich alles schon im ersten und bisher einzigen Buch rausgedonnert habe …

Sagen wir so: Mir ist noch was eingefallen, das in den „Mann auf der Couch“ (der übrigens immer noch am Markt ist) gut gepasst hätte. Geht um Drogen. Und geht um den 1. Mai, deshalb bin ich jetzt draufgekommen. 1. Mai, Tag der Arbeit, jetzt am Montag.

Ich selber gehe übrigens am Montag ganz bieder mit dem DGB, 10:30, Rödingsmarkt und runter zum Fischmarkt.  Der Rote Aufbau startet zwar näher bei mir, am Hauptbahnhof, ist mir aber doch zu wild – und mit meinem kaputten Fuß kann ich nicht Fersengeld geben.

Hier also – nachgelieferter – “Mann auf der Couch”-Text. Nur ein paar Absätze, keine Sorge! Danach gibt´s Lesestoff zum langen Wochenende, aus dem real existierenden Buch „Mann auf der Couch“ übernommen. Ein Auszug, der uns Gelegenheit gibt, das Thema „Drogen“ nochmal zu vertiefen.

LSD sollte uns beim Scheiben inspirieren

In meiner Zeit als Buchhändler-Lehrling war ich fest entschlossen, Dichter (so nannte ich es) werden zu wollen, so zwischen Hermann Hesse und Peter Handke. Ich stand nicht allein mit meinem Wunsch und so hatte sich recht schnell eine lose Gruppe zusammengefunden, meist in der Folge eines ersten Kennenlernens im „Club Electronic“ am Judenplatz. Unsere Gruppe traf sich jeden Samstag im „Café Museum“ in der Operngasse, um sich, was manchmal vorkam, gegenseitig Texte vorzulesen, die Lage bezüglich Lesungen oder Veranstaltungen zu sondieren, oder einfach „Schmäh zu führen“. Dazu aßen wir ein „Appetitbrot“, tranken vielleicht auch noch ein Bananen-Frapee dazu.

LSD hatten die meisten von uns schon genommen und schätzten die Menge an Bildern und Halluzinationen, die es produzierte, die, so dachten wir, dem Schreiben doch zuträglich sein müssten. Timothy Leary´s „Politik der Ekstase“ galt uns als Sachbuch und jeder hatte es zu Hause stehen. Und so entstand eine Idee, die einem Gesellschaftsspiel glich. Die Idee war, man könne sich vornehmen, und das dann alleine oder auch mit anderen durchziehen, bestimmte Dinge, Anlässe, Ereignisse, „auf Trip“ zu erleben. Unter LSD-Einfluß. Bewusstseinserweitert. Auf eine Party gehen „auf Trip“, okay, das war jetzt nicht sooo originell, oder auf ein Konzert, auch nicht. In die Schule? In die Lehre? Auf Vaters Geburtstag? In die Kirche (Orgelkonzert im Stephansdom), ins Schwimmbad? Sex „auf Trip“ – das ohnehin, aber da musste dann auch noch anderes passen und in unserer Autorenversammlung waren bisher nur Männer und nicht alle waren schwul.

Auf Trip auf  den … 1. Mai! Das war´s. Königsidee! Geile Idee, geil, einfach nur geil. Es muss ca. das Jahr 1972 gewesen sein – und der 1. Mai folgte in wenigen Tagen auf den Samstag, als wir im „Museum“ die tolle Idee entwickelt hatten. Damit war auch das Programm für Samstag Abend geklärt, da musste losgezogen werden, die Trips „aufzustellen“, Internet gab es damals noch nicht.

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Arbeiterführer Bruno Kreisky feiert 90 Jahre SPÖ am 1. Mai 1979 – vor Zehntausenden auf der Wiener Ringstraße

Herrschaftliche Inszenierung der Parteigranden

Der 1. Mai in Wien war damals eine Massenveranstaltung mit zehntausenden Teilnehmern. Sternförmig zogen die Bezirksorganisationen der SPÖ aus den Außen- und Arbeiterbezirken (Favoriten, Floridsdorf, Brigittenau, Ottakring) zur prunkvollen Ringstrasse in der Innenstadt. Vor dem Parlament, später vor dem Rathaus, war die Tribüne der Partei- und Gewerkschaftsführung aufgebaut, für Bruno Kreisky, den Parteivorsitzenden und Bundeskanzler, Anton Benya, den Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, die weitere Parteiführung, Leute von Gewerkschaft und Arbeitskammer, “rote” Minister. Die Partei, so empfanden wir es, und so war es doch auch in etwa – die SPÖ hatte 1971 die absolute Mehrheit (50.0 Prozent) errungen – die Partei war mehr oder weniger identisch mit dem ganzen Staatsapparat. Entsprechend herrschaftlich fiel auch die Inszenierung der Parteigranden aus, wie sie da auf der Tribüne standen und dem vorbeiziehenden Parteivolk huldvoll zu winkten. Kanzler Kreisky, der ohnehin eher die Ausstrahlung eines Bankdirektors als die eines Arbeiterführers hatte, hatte  in diesen Jahren derart hohe Beliebtheitswerte, dass er sich leisten konnte, eher gelangweilt zu wirken.

Die Kommunisten begingen ihren eigenen 1. Mai, während die linken Gruppen, zu denen unsere Dichtergruppe sich zugehörig fühlte, erst nach der SPÖ auf die Ringstraße durfte, wenn die Zehntausenden durch waren, also erst am späteren Vormittag – was den Vorteil hatte, dass man als „echter Linker“ nicht so früh raus musste am Sonntag morgen wie der einfache SPÖ-Parteisoldat. Irgendwo da, im Übergang zwischen dem SPÖ-Zug und den kämpferischen Linken, die ihre wochenlang vorbereiteten Parolen und Losungen vorführen wollten, gerne etwas lauter und mit etwas Krawall, da sie ja durchaus im Konflikt standen zu dem, wofür die SPÖ damals stand, vor allem beim Thema Sozialpartnerschaft, die für Kreisky eine grosse Errungenschaft war, für die Linken aber ein „Verrat“, nur dazu da, die Arbeiterklasse mit Almosen abzuspeisen, ruhig zu halten und sie um ihr Klassenbewußtsein zu bringen, irgendwo da wollte sich unsere Dichtertruppe in den Demonstrationszug einreihen (?) und erforschen, wie LSD auf die Wahrnehmung eines solchen politischen Spektakels wirkt (das übrigens auch ohne Bewusstseinserweiterung seine skurillen und unfreiwillig komischen Seiten hatte).

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Timothy Leary, Autor der LSD-Anleitung “Politik der Ekstase”, die uns uns als inspirierendes Sachbuch galt

Kompletter Filmriß mitten im Zug der Arbeiter

Zum Einnehmen der Droge hatten wir uns im Café Museum verabredet, es waren klitze kleine Dinger, die wir aufgetan hatten und die wir jetzt mit warmen „Kakao“ runterspülten. Im nahe an der Ringstrasse gelegenen Kaffeehaus war schon der rauschende Lärm der Massen zu vernehmen, Fetzen von Musik und Megaphonansagen, wir wollten aber abwarten, bis der „Trip einfährt“ um uns dann den 1. Mai „voll auf Trip zu geben“. Es war ein herrlicher Tag, Sonnenschein, blitzblauer Himmel, der liebe Gott meinte es gut mit den Arbeitern von Wien, aber nicht so sehr mit unserer Dichter-Truppe, wie wir gleich sehen werden.

Als wir uns endlich aufmachten, die paar hundert Meter vom „Cafe Museum“ bis zum Ring, war ich schon reichlich weich auf den Knien und der Bewegungsapparat begann, mir nicht mehr zu gehorchen. Die Sonne, die ich eben noch als schön empfunden hatte, brannte plötzlich wie in der Wüste und vor allem war sie so grell, dass ich nichts mehr erkennen konnte.  War ich der einzige, dem es so ging? Als ich dies die Dichterkollegen fragen wollte – war es Robert, oder war es Roland, der neben mir ging? – versagte mir die Stimme, bzw. das, was dann zu hören war, war nicht meine Stimme, sondern etwas viel dunkleres, lauteres, mit Hall dahinter, wie ein Schockeffekt in der Geisterbahn.

Ich, die anderen hatte ich verloren oder bemerkte sie nicht mehr, taumelte auf die Prozession zu, die von mir keine Notiz nahm, sondern in eng geschlossenen Reihen vorwärts schritt. Meine visuelle Wahrnehmung entsprach nun in etwa dem, was Herbert Achternbusch später für seinen Film „Bierkampf“ aufnahm, als er sich mit der Handkamera unter die Besoffenen des Oktoberfests stürzte – nur war ich hier der Bedröhnte, die, auf die ich zutaumelte, waren (noch) nüchtern. Ich erinnere mich, noch so etwas wie einen Entschluss gefasst zu haben, irgendwie bis in den Burggarten kommen zu wollen, den früheren Privatgarten des Kaisers, und mich dort auf eine der Rasenflächen zu legen. Danach: Kompletter Filmriss, kein 1. Mai auf Trip.

Ich wachte auf, tatsächlich auf einer Wiese (Rasenfläche – Kaisergarten!) des Burggartens, es war kühl und feucht geworden, Abendstimmung, und das Kühle und Feuchte hatte sich schon in meine Klamotten gezogen. Der erste Mai war vorüber, über die Ringstrassen waren schon die Putzkolonnen und die Fahrzeuge der Stadtreinigung unterwegs. Die Tasche, die ich dabei hatte, war verloren, Brieftasche und Schüssel hatte ich noch. Ich wollte mich unauffällig davon machen, war aber immer noch wackelig auf den Beinen.  Als ich die Operngasse erreicht hatte, „fuhr der Trip wieder voll ein“, wie wir es insiderisch ausgedrückt hätten. Bedeutete, die eigentlich harmlose Operngasse, die aus der Stadt heraus in Richtung Margareten führt, wo ich damals wohnte, wurde vor mir mit jedem Schritt steiler, wie ein monströses Laufband, das plötzlich nach schräg oben zieht, nur dass niemand gezogen hat – ich musste die immer steiler werdende Straße unter meinen Füssen aus eigener Kraft hochkriechen. Wieder Filmriss.

Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin, aber alles in allem ist es gelungen, dass das ganze unauffällig blieb. Auch in der Dichtergruppe hielt ich mich eher bedeckt („Wir haben uns wohl verloren …“) und auch bei den anderen bemerkte ich erleichtert eine Scheu, sich über die 1. Mai-Experience näher auszutauschen. Ein paar Tage später ging das Gerücht, an ein paar doofe Jugendliche seien von „Dealern“ (anderen doofen Jugendlichen) abgezockt worden, Rattengift statt LSD. Endlich eine MAC-Geschichte mit Moral!

Zu Knottek hatte ich jeden Kontakt verloren

Noch mehr Drogenzeug? Ich kann es euch nicht verdenken!  Auszug aus „Mann auf der Couch“, Textem Verlag 2021, ab Seite 214

Ich hatte damals begonnen Drogen zu nehmen, Joints zu rauchen, wenn die jemand drehen konnte, ich konnte es nicht. An Freitagabenden nahm ich mit Freunden aus der Buchhändlerschule immer wieder mal einen LSD-Trip, den wir dann bis Sonntagabend ausklingen lassen konnten, bevor wieder die Woche begann. Ich sah dann Farbgirlanden sich im Raum schlängeln und tanzen, ihren Anfang nahmen sie unter der Nadel des Tonabnehmers am Plattenspieler, der gerade Umma Gumma von Pink Floyd abspielte, wie später in psychedelischen Videoclips.

Die Trips, oft kleine Pillen, ähnlich denen, die wir noch vor ein paar Jahren in der Volksschule gegen Karies ausgeteilt bekommen hatten, oder beträufeltes Löschpapier, waren in Sorten unterteilt und hatten vielversprechende Namen wie » Orangen oder »Purple Haze«, nach dem Jimi-Hendrix-Song.

Wir kauften sie um 25 Schilling, das war auch nicht viel mehr, als eine Singleschallplatte damals kostete, im Hellas auf der Wienzeile, einer griechischen Kneipe im Souterrain, direkt am Naschmarkt. Vom Hellas hieß es, mit etwas Glück könne man von den griechischen Fern-fahrern, die hier angeblich aßen, nach Griechenland mitgenommen werden. Das war bisher aber nur Mädchen gelungen.

Meinen ersten Trip nahm ich mit Knottek, ich hatte ihn in der Berufsschule für Buchhändler kennengelernt, eines Freitagnachts auf seiner kleinen Bude in einem schmalen Mietshaus in der Liechtensteinstraße im neunten Bezirk, die mit nicht viel mehr als einer schwarz bezogenen Matratze eingerichtet war. Allein das schwarze Laken wirkte revolutionär auf mich.

Durch das Zimmer wütete ein Sturm oder magnetischer Strahl

Knottek war ein echter Hippie, langes fettiges Haar, spielte im Stadtpark Gitarre, bis ihn die Polizei verjagte, und gehörte zu meiner Bücherdiebe-Bande. Wir lagen auf seinem Matratzenlager, hatten den Trip schon »eingeworfen« und warteten darauf, auch etwas ängstlich, ich jedenfalls, dass er »einfuhr«.

»Is’ er bei dir scho eingfahr’ n?«, fragten wir uns von Zeit zu Zeit. Und dann – fuhr er ein, mit erschreckender Wucht.

Durch das Zimmer wütete ein Sturm oder ein magnetischer Strahl, der uns vom Matratzenlager zu reißen drohte. Die Wände des Zimmers waren plötzlich gestreift, die Streifen bewegten sich, hatten sich in schnell fließendeBänder verwandelt, die auf eine Ecke der Zimmerdecke zuliefen und zu diesem Punkt hin einen Sog entwickelten, der uns mitriss und zu verschlingen drohte. Unsere ausgestreckten Arme wiesen schon in diese Richtung, halb, als wollten wir auch dahin, aus dem Zimmer fliegen. Dann wurde es plötzlich ruhig, ganz ruhig, totenstill, die Streifen verschwanden, der Magnetsturm hatte sich gelegt. Es muss seltsam ausgesehen haben, wie unsere großen, schweren Junge-Männer-Körper auf der Matratze eine Art liegendes Work Out vollführten.

“Wonderwall” von George Harrison war zu Ende, der Tonabnehmer knackte gleichmäßig in der Leerrille. Ich stand auf, fiel hin, schaffte es schließlich, die Platte um-zudrehen, und nahm Umma Gumma von Pink Floyd aus dem Cover.

Knottek, zu dem ich schon jeden Kontakt verloren hatte, war jetzt nicht mehr da. Ich blieb neben dem Plattenspieler hocken und starrte fasziniert auf das Käst-chen, auf dem er stand und das sich gerade zu verwandeln begann.

Das Schränkchen, das ich nun sah, es sah ein wenig aus wie aus der Zeichentrick-Version von Alice im Wunderland entliehen, hatte Schubladen – und jede Schublade war beschriftet, mit verschiedenen Bereichen meines Lebens.

»Schule« stand da, »Buchhandlung«, »Köstlergasse«, Omas Adresse, aber auch Namen wie »Zotti«, ein Mädchen, das ich toll fand.

Ich selber saß nicht mehr da, stellte ich erschüttert fest, sondern war nur noch ein Punkt im Raum. Panik. Jetzt hatte ich es wohl übertrieben. Ich fasste den Plan, wenn ich in eine der beschrifteten Laden hineinkann, kann ich mich vielleicht zurückverwandeln, zumindest in die angegebene Existenz, den Schüler, den Buchhändler, den In-das-Mädchen-Zotti-Verliebten.

Ich hatte als Punkt zwar eigentlich keine Hände, aber rotzdem begann ich mit Gewalt an den Schubladen zu reißen und zu rütteln – und der Horror war, keine ging auf.

Keine. Ich konnte in keine meiner Existenzen zurückfinden, war als Nichts im Raum verloren, hatte mich verloren.

Huch! Keine Schublade passt mehr für mich!

Das Aus-sich-Heraustreten, Sich-selbst-betrachten-Können ist die berühmteste Wirkung von LSD, schon sein Entdecker Albert Hofmann sah sich selber auf der Couch liegen. Heute versucht man bei Krebspatienten sie mithilfe von LSD aus ihrem Körper heraustreten zu lassen, damit sie eine andere Perspektive auf ihre Krankheit einnehmen können. Meine LSD-Erfahrungen habe ich meinen Analytikerinnen vorenthalten, warum eigentlich, sie beschäftigen mich mein ganzes Leben, nicht jeden Tag, aber doch immer wieder.

Schon der eine Trip lehrte mich, wie sehr ich neben mir stehe, schwebe, keine Bodenhaftung habe. Und mein Leben, das mich aussperrt, zu dem ich nicht gehöre. Und das Aufgeteilte in streng getrennten Schubladen, das Entweder-oder, »Schule« oder »Zotti«, nichts Integriertes, wie man es ja lieber hätte. Huch, keine Schublade passt für mich! Das ist ein dummes Klischee, und es nutzt jeder hohle Schlagersänger, der nicht weiß, was er machen soll, keine Schublade passt.

»Schublade«, darüber macht man sich lustig, aber es fühlt sich doch doof an, wenn man in gar keine passt. Vor allem auf einem LSD-Trip, auf dem diese in der Sprache banalen Bilder superreal sind. Vielleicht produziert LSD ja auch nur Psycho-Mull, und bei jedem ungefähr dasselbe. Ich tippte dann so was hin, tipp, tipp, super, Michi:

ich war ein punkt im raum

ein punkt im raum vor dem Kasten der Realität

mein Kasten der Realität hat viele laden

die lade in der ich mich als Kind versteckte die lade in der ich mich als Volksschüler versteckte

die lade in der ich mich jetzt verstecke und alle laden waren zu

und ich hoffte dass sie zu bleiben würden oder dass zumindest eine andere lade aufginge

die zum Beispiel in der ich mich als Kind versteckte und ich hoffte sogar dass eine aufginge

nur nicht die eine

die lade in der ich mich jetzt verstecke

und ich bekam Angst

Angst im leeren raum

Angst als unendlich einsamer punkt im leeren raum die Freiheit im leeren raum wurde zur unerträglichen

Einsamkeit

ich hoffe dass eine lade aufgehen würde die kinderlade

nur nicht die eine in der ich mich jetzt verstecke und dann ging eine lade auf

und die Einsamkeit war so groß geworden dass ich

hineinsprang

ohne zu achten welche lade es war

und es war die eine die unentrinnbare

in der ich mich jetzt wieder verstecken muss

und ich verstecke mich in meiner realitätslade

kann nicht raus und schreibe

Was stünde denn heute auf den Schubladen? Was käme raus, wenn ich heute wieder mal LSD nähme? Warum übrigens nicht, ich suche ohnehin nach etwas, mit dem ich nicht die Analyse fortsetzen, aber den Weg der Selbsterkenntnis weitergehen kann, sozusagen. Ich nehme den LSD-Trip mit Freund Knottek jetzt mal genauso ernst wie einen Traum in der Psychoanalyse, kommt ja bei beidem darauf an, was man daraus macht.

Es sind viel mehr Schubladen geworden in all den Jahren. Wie abgetragene Hemden wechselte ich – zumal in der ersten Hälfte meines Lebens, danach trat ich eher die Reise nach innen an – Städte, Jobs, Frauen, Männer, die sexuelle Ausrichtung, von schwul zu hetero, war gleichzeitig softer »neuer Vater« und besoffener Hurenbock.

Und eine Redaktion nach der anderen, Stadtzeitung, Zeitgeistzeitung, Wirtschaftsmagazin, Fernsehzeitschrift, Kinderzeitschrift, Was-weiß-ich-Zeitschrift. Auch inhaltlich ein Irrsinn, eine Achterbahnfahrt.

Von anarchistisch und linksradikal in den Anfängen über anspruchslos kommerziell bis zu prokapitalistischem Marketing, denn was anderes machen wir ja nicht in unserer Agentur. Dazwischen Skurriles wie Homo- und Audiophilie.

Mit den Jobs und den Frauen wechselte ich mein komplettes Umfeld, das Milieu gleich mit, wie im Übergang von Marie zu Pia, von Pia zu Eloise, von Eloise zu Eva, immer der Bruch mit meinem Leben davor. Wenn ich jemand von »früher« in der Kneipe traf, ein peinliches, betretenes Gefühl, wegsehen, vermeiden, dass sich Wege kreuzen, grüßen, lieber nicht. Die Schwulen mied ich, als ich wieder mit Frauen ins Bett zu gehen begann.

Nur die Kinder hatten eine zusammenführende, integrierende Wirkung, sie wurden zu einem Grundton meines Lebens, wie der Grundton in der Musik, auf dem man zu improvisieren lernt. Mit den Kindern von zwei Frauen und all dem Hin und Her waren wir eine Patchwork- Familie geworden, lange bevor es das Wort gab.

Aber darüber hinaus blieb mein Leben in den einzelnen Episoden unverbunden, unvermittelt, sprunghaft, disparat und beginnt jetzt, wo der Kitt durch die Kinder wegfällt, weil sie immer größer werden oder längst erwachsen sind, wieder auseinanderzufallen.

Was also stünde heute auf solchen LSD-Schubladen?

„Content-Marketing«, »Eva”, »Psychoanalyse«, »Hi-Fi”,”Vatersein«, ›Großvater-Sein«… Und plötzliche käme ich, in KEINE der Laden, das stelle man sich mal vor, immer noch Horror. Oder wäre ich dann mitten in dem, das man Individuation nennt …

Wann hört der Horror wieder auf?

Wäre ich am Ende immer noch das panische, schwebende Pünktchen im Raum, mit der einzigen Hoffnung, dass mal einer über den Plattenspieler stolpert, sodass die Nadel aus der Rille springt, der rauschhafte Klang von Umma Gumma, zweiter Cut, zweite Seite, »A Saucerful of Secrets«, verstummt und der ganze Horror aufhört – und ich vom Pünktchen wieder zum Würmchen werde, und neu anfangen kann.

Damals, in den 70er Jahren, fühlte sich das so an:

Horror … oder warum manche immer musik brauchen

… das gehirn rinnen sehen … und auf das wort warten … nicht schon wieder … gott und ich … keine angst ich werde vorsichtig sein … deine pupillen … erektion … gehe weg vom fenster… nein, das ist nicht real … du tust mir weh … die kerzen … alles ist in afri cola … die energie die sich im rückgrat staut …. visionen von freiheit … kopfschmerzen … gott ich hasse dich … warum tust du das … immer wieder ich … randbemerkung… das ist doch gar nicht wahr… die musik … das stimmt doch nicht … das ist doch

nicht die realität… warum hast du das zugelassen… ich liebe sie doch … ja ich weiß das wort ist leer… hör bitte einen moment auf… je den harrison… das kann doch nicht so locker gewesen sein … ach du scheiß gott du sprichst doch nicht mit mir … halluzinationen …du lange halte ich das nicht mehr aus … wer sagt mir denn das … wer sagt mir denn das … dreh die musik ab … das darf nicht sein … die ruhe ist so laut … nicht… die ruhe erdrückt mich … für mich ist in der ruhe kein platz … ich halte sie nicht aus … die ruhe die leere … die ruhe ist so leer … dreh doch die musik auf… hörst du dich nicht … dreh auf… ich steh das nicht durch … die leere von außen erdrückt mich … ich spüre es immer stärker … das innere vakuum … ich bin hohl… ganz hohl … die ganzen inhalte alles weg … ich zerplatze vor leere … ich möchte nicht sein … dreh die platte um ich muss musik haben … das geht so nicht … der druck von innen und der von aussen … meine schale mein körper hält das nicht aus … luft … du das zerdrückt mich . wenn du die musik aufdrehst ist die leere von außen weg … der druck von außen … dreh auf du sau … das vakuum in mir wird immer größer … ich möchte mich ausdehnen … aber der druck von außen … ich höre es ganz laut wie die teilchen der leere ganz fest aneinander reiben… da kommt nichts dazwischen rein … ich werde von außen zerdrückt und zerberste von innen … bitte ruhe … gott du hast recht gehabt mit der leere … aber du hast die hohle umwelt vergessen … warum hörst du mich nicht … ich brauche musik

… gott du hast mir alles rausgerissen … ich möchte doch nur ruhe … keinen schmerz mehr … meine körperliche existenz verursacht den schmerz… der körper muss weg dann ist ruhe … nur mehr dichte leere …

wo ist das fenster … gleich wird’s besser sein … oder ganz gut … lass mich los … geh weg … du bist mit schuld…. alle sind mitschuld… endlich … ein sprung

Wir waren Speed-Kings

Wenn der Trip damals, in den 70er Jahren, abgeklungen war, waren wir noch auf Speed, das war so die altkluge Weisheit, die wir miteinander teilten. Speed war für uns der Amphetamin-Anteil an dem Trip, der uns ähnlich wie Kokain aufdrehte und schlaflos machte. Manche nahmen ja nur Speed in verschiedenen Formen wie Kokain, das damals noch keine große Rolle spielte. Es gab aber schon Songs wie »Speed King« von Deep Purple oder »Speed Kills« (was jetzt?) von Ten Years After und es gab vor allem Robert Crumb, der den Speed in seinen Comics so dar-stellte, dass die Köpfe seiner Figuren immer kleiner wurden, bis sie nur mehr Stecknadeln waren, und ihre Füße, mit denen sie durch Häuserschluchten liefen, immer größer.

Mein Dichterfreund Robert Menasse, der von der psychedelischen Erfahrung damals genauso fasziniert war, vertrat die Ansicht, dass ähnliche Phänomene, mit oder ohne Amphetamin, auch in Thomas Bernhards Gehen von 1971 angesprochen seien, als Praxis, das Gehen und Denken zur ungeheuersten Nervenanspannung zu machen, die nicht längere Zeit ohne Schädigung fortzusetzen sei. Robert erzählte mir das im Café Museum in der Operngasse, in dem wir uns mehrmals in der Woche trafen, nur wir beide oder in einer Clique mit anderen, die sich auch als junge Schriftsteller sahen und Drogen nicht abgeneigt waren.

Zum Abklingen des Trips gehören auch riesige schwarze Pupillen, ich erschrak immer, wenn ich mich im Spiegel erblickte, ich sah zerstört aus, und meine Augen waren fast schwarz geworden, das Blau nur noch eine schmale Linie um diese riesige schwarze Pupille. Und mörderischer Hunger gehörte auch dazu.

Knottek, der Erfahrenere von uns beiden, mein Begleiter, hatte vorgesorgt und in der Küche lag ein Laib Brot. Wie Raubtiere rissen wir mit den Zähnen ganze Brocken heraus, reichten uns den Laib gegenseitig zum Fraß und schluckten gierig, bis wir Magenschmerzen bekamen.

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