Michael Hopp spricht mit dem Mann auf der Couch

Michael Hopp: Wie fühlst Du Dich, seit ich den Blog gestartet habe?

Mann auf der Couch:  Ist mir egal, weiß nicht, was das soll.

Du kommst doch ständig vor.

Aber irgendwie komisch. Uncool.

Du wirkst beleidigt.

Wenn du es schon wissen willst: Manchmal habe ich das Gefühl, Du schämst Dich für mich.

Suchst irgendwelche Ausflüchte, literarische Rationalisierungen. Ich bin Dir unangenehm. Du willst jetzt wer anderer sein.

„Spiel nicht mir den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder …“  Das höre ich dauernd im Moment. Wäre aber gar nicht draufgekommen, dass das mit Dir zu tun haben könnte. Eine Zeit lang legte ich mir stapelweise C.G. Jung auf den Nachtisch, um mich irgendwo einzubetten. Heute ist es wieder die linke Jugendlektüre, Marx, Bambule, die nackten Ärsche in „Konkret“, Reich, die Erinnerungen von Bommi Baumann und die Pornocomics von Robert Crumb. Und bin jeden Dienstag in dem Marx-Lesekurs. Das macht mich zu einem anderen Menschen, bzw zu einem neuen.

Ich fühle mich schon länger unwohl mit dem Titel „Mann auf der Couch“. Auf der Couch, auf der Couch, auf der Couch. Das nervt! Im Prinzip war Dein Leben, bevor Du auf der Couch gelandet bist, viel interessanter. Die total kranke, perverse Nachkriegsjugend im faschistischen Wien, das war spannend. Und wie Dich die damalige linke Subkultur da rausgeholt hat und was sie dann aus Dir gemacht hat. Die Klagelieder dann auf der Psychocouch – geschenkt. Das braucht niemand und Du offenbar auch nicht.

Wie meinst Du das?

Betrachtest Du Deine fast 20jährige Analyse, wie Du es im Zusammenhang mit MAC – wenn ich das MAC schon höre, so ein Schwachsinn! – immer wieder behauptest, jetzt als abgeschlossen, nachdem Doktor Von verstorben ist? Oder würdest Du weiter zu ihr laufen, wäre sie nicht gestorben?  Was hast Du bei Ihr gesucht? Was hast Du gefunden? Du schreibst viel dazu im sogenannten MAC. Aber das wird nicht klar. Eigentlich hast Du da gar nichts zu sagen.

Weiß ich alles nicht, lass mich in Ruhe damit! In einer Schweizer Zeitung schrieb Jean-Martin Büttner, der „Mann auf der Couch“ sei das Dokument, einer „gescheiterten“ Psychoanalyse, viel zu lang, ohne Ziel, die Analytikerin am Ende zu alt und nicht mehr richtig aufnahmefähig. * Auch Tillmann Moser hatte mir geschrieben, noch bevor das Buch abgeschlossen war, die Analytikerin habe mich offenbar nicht im Griff. ** Trotzdem habe ich einen starken Reflex, jede Behauptung, die Analyse könne „gescheitert“ oder eben doch nicht so gut gewesen sein, sofort zurückzuweisen. Die sogenannte „Analyse“ (ist es überhaupt je dazu gekommen, Tilman Moser bezweifelt das) behüte ich wie mein Baby. Die zwei Kisten mit Doktor-Von-Nachlass, Ordner mit Originalmanuskripten, Handschriftliches, Zettelkram und einen Packen Material des gescheiterten  Buch-Projekts,*** bewahre ich auf wie ein Heiligtum, nur wage ich es kaum, es anzuschauen.

MAC hier, MAC da, immer weiter reiten auf der MAC-Masche

Das machst Du mit den alten „Fix & Foxi“-Heften auch, aber das finde ich noch freundlicher und lebensbejahender als Dein Psychoanalyse-Kult, der nur düster und eigentlich inhaltsleer ist. Deshalb hat das Buch in Kreisen der Psychoanalyse auch überhaupt keine Resonanz gefunden. Deine erste Analytikerin, Doktor Zu in München, gibt Dir keine Stunde mehr, seit Du ihr das Buch geschickt hast und die „große“  Frau Doktor Von war tot, als es erschienen ist. Damit waren die wichtigsten Leser schon ausgefallen. Aber Du willst das nicht wahrhaben und reitest immer weiter auf der MAC-Masche, MAC hier da und glaubst offenbar selber schon an die McDonalds-Anspielung. Aber was Du bei TV Movie über Marken gelernt hast, das muss nicht für ein Buchprojekt gelten … Und alles auf meine Kosten!

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Foto: Michael Hopp

Naja, der März Verlag hat genauso wie die rororo-Taschenbücher oder die Insel-Bücherei oder die Rotbücher das Corporate Design in das Buchgeschäft gebracht und die Inhalte mussten sich da, den Versprechungen, die das Design gab, zumindest anpassen. Und der MAC – entschuldige, wenn ich das so sage – war immer auch ein Design-Buch, weil er mit Christoph Steinegger einen erstklassigen Art Director und Typographen hatte, einen der besten, die es in Deutschland überhaupt gibt.

Und den konntest Du dann nicht bezahlen.

Darunter leide ich selbst am meisten.

Am meisten? Hauptsache, Du leidest.

Was soll ich sagen? Offene Rechnungen, Pleiten, Konkurse, kleine Verlage oder Agenturen leben immer riskant, aber das darf keine Ausrede sein. Ich habe ja in der MAC-Zeit noch was verdient und hätte was auf die Seite legen können. Hab ich nicht getan. Vielleicht stattdessen ein Teil für den verrückten Plattenspieler gekauft.  Aber immer nur, wenn was kaputt war.

Wir wollten ja reden, wie es weitergeht.

Wollten wir? Es scheint ja einiges ungeklärt sein zwischen uns. Ich denke , es wäre jetzt nicht der richtige Weg, an „Mann auf der Couch“ alles in Frage zu stellen, was irgendwen gestört hat – und „irgendwer“ ist nicht abwertend gemeint. Eine wohlmeinende Kollegin sagt, ich hätte auf „Mann auf der Couch“ einfach „Autobiographie“ schreiben sollen und mit dem Privaten vorsichtiger umgehen, dann hätte es weniger Missverständnisse gegeben. Ein netter Kollege meint, eine Kurzfassung – mit allem draußen, was zu „wild“ ist, dafür stärker auf den Forrest-Gump-mäßigen Charakter des sympathischen Verlierers fokussiert, im „Strunk-Format“, könnte ein echter Hit sein. Und eine andere Kollegin, Lektorin, mit der ich über die gekürzte Fassung spreche und eine Bemerkung mache wie „die Pornostellen dann raus“, schaut mich mit großen Augen an: „Wieso die Pornostellen raus?“

Und das verwirrt dich alles? Aber wie Du als Schriftsteller weitermachen möchtest, das kannst doch nur Du beantworten. Und der „MAC“, wie er nun mal in der Welt ist, den kannst Du nicht mehr ändern, das ist ein Teil von Dir. Damit muss auch ich leben. Was das Buch vielleicht zum Überlaufen gebracht hat, dass alle Lebensphasen so gleichmäßig abgefrühstückt sind, kann für Dich jetzt ein Vorteil sein, weil es viele Ansatzpunkte bietet.  Oder willst Du jetzt für alle Zeiten in die „linksradikale“ Nostalgie flüchten und den Zeiten nachtrauern, als Du Dir die Welt noch erklären konntest?

Wer von uns beiden ist jetzt eigentlich kursiv?

Weiß ich nicht mehr.

* Jean-Martin Büttner, Wenn eine Psychoanalyse scheitert, Tagesanzeiger/Der Bund, 7. Juni 2021, Seite 23

 ** Tilman Moser am 21.10.2020, nachdem er Auszüge von „Mann auf der Couch“ gelesen hatte: „Lieber Herr Hopp, der Text ist jetzt viel nüchterner, aber immer noch vom Größenwahn durchtränkt. Mein Eindruck: Ihre Frau Von war viel zu kühl, zu orthodox, dann wieder verführbar oder redselig, aber allermeist: Ihnen nicht gewachsen. Daher mein Verdacht: sie hätte Ihnen viel früher raten sollen, mal einen Mann zu suchen, und keinen Jungianer, die verstehen von Übertragung und Gegenübertragung viel zu wenig. Von da an mein Verdacht: Sie hat sie auf Dauer auch ausgenutzt als Dauerzahler, auch wenn es mal an Pünklichkeit haperte. Und Ihnen scheint kein Zweifel an Ihrer Kompetenz gekommen zu sein. Ihr Stil ist trotzdem noch zu rasch hingeworfen, manchmal salopp, nicht ohne Witz. Aber klar ist auch, dass sie keine fundierte tragende warmherzige erkennende Analyse bekommen haben, deshab sind Sie sich so fremd geblieben, auch aus Interesselosigkeit für Ihre wichtigen Personen. Ich finde es unverschämt, auf die nicht einzugehen, oder aber auch unfähig, Ihr manchmal unernstes Gerede zu stoppen, und die endlosen Lieferungen von Papieren und Auskünften zu stoppen.  Da suchte sie wohl Dankbarkeit und Bleiben, auch Befriedigung für den Narzissmus, und Ihre offene Wut zu verhindern. Und die Verweigerung, über das Ende offen zu sprechen, und die Blödheit “Solange es was zu reden gibt”. Konnten Sie nie wütend werden oder nur innerlich? Und hat sie nie bemerkt oder angemahnt, was Sie alles ausgespart oder verschwiegen haben. War es Doofheit oder Feigheit?.  Mein Rat: Nicht veröffentlichen, nur wenn Sie beide Damen bloßstellen  oder sich rächen wollen, selbst wenn Sie einen Verleger fänden, was ich nicht glaube. Herzlich Ti Moser.“

*** „Zur Bedeutung von Illusion und Grenzerfahrung in der Liebe“, lautete der Arbeitstitel des Buchprojekts, das Doktor Von seit Dezember 2013 verfolgt hatte und um das sich der Mann auf der Couch ab 1994 kümmern wollte. Der Klapptentext sollte lauten: „Irrungen, Wirrungen, Kitsch. Psychotherapeuten und Dichter können ein Lied davon singen, welche seelischen Verwüstungen der Götze Liebe hinterlässt. Denn die Heilserwartungen lassen sich nicht erfüllen. Erlösung – die Befreiung des Menschen aus den Fesseln der conditio humana – kann es nicht durch einen anderen Menschen geben. Wer sich von der Liebe den Himmel auf Erden verspricht, wird sich (und anderen) das Leben zur Hölle machen (Markus Günther, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)

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