Ich war ein kompatibles Wesen, ein freundliches Chamäleon, das sich jeder Situation anpassen konnte und dabei selbst nie zu kurz kam. Wer mir ein bisschen Drogen und ein bisschen Sex gab, den möchte ich. Jeder fand mich irgendwie gut, Frauen, Heteromänner, Schwule.
Ich hatte keinen Ärger mit den Menschen und keine Angst vor ihnen. Eva war fasziniert von der Leichtigkeit und der Freundlichkeit, mit der ich damals durch die Welt ging, und ich fürchtete, sie könnte enttäuscht sein über die Entwicklung, die ich seither genommen habe. Ich bin ja heute so ziemlich das Gegenteil, jedenfalls nicht ideal kompatibel. So frei wie damals war ich nachher nie wieder, es ist festgehalten in diesem Film, sonst hätte ich es auch vergessen oder hätte die Zeit anders bewertet.
Doch der Sommer währte nur kurz. Es ist schwer zu sagen, wann er zu Ende ging. Das unbedarfte Herumficken unter Heteros wurde von immer heftigeren Eifersuchtsdramen beendet, unter den Schwulen brach die Angst vor Aids aus. Manfred Kaufmann soff sich ein paar Jahre später zu Tode und das sorglose Kiffen, LSD- Trips-Werfen und Popperträufeln wurde überschattet von Fällen schlimmer und unlustiger Heroinsucht, die sich in unserer Szene verbreitete.
Als ich Henni in unserem inzwischen gemeinsamen Loft, einer ehemaligen Näherei mit ihrer Assistentin Marie betrog, schmiss sie uns beide mitten in der Nacht raus. Als wir auf der Straße standen, wusste ich, ich hatte es übertrieben, so ging es nicht weiter. Es war vorbei.
Aus: Mann auf der Couch, Seite 240, Textem Verlag, Hamburg, 2021