Liebe kommt, Liebe geht

Theodora Becker im Gespräch mit Barbara Eder, die den ROTEN SALON am Montag moderierte – vom sonst oft beklagten „Frauenmangel“ im heutigen Marxismus war bei dieser siebten Veranstaltung der Reihe nichts zu spüren. „Dialektik der Hure“-Autorin Becker las vier Stellen aus dem Buch, die von der Barbara Eder fragend aufgeschlüsselt wurden, in der Absicht, dem aufmerksamen Publikum Zugänge anzubieten zu dem dichten, an Bezügen reichem Text – was am Ende Sinn des ROTEN SALON ist. Die Didaktik hier weiterzuentwickeln, ist eine Aufgabe, die uns auch in Zukunft beschäftigen wird. M.H.

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Abschnitt 1, „Aus der Einleitung“: „Anders, als auf den ersten Blick erscheinen mag, ist keineswegs klar, was die Prostituierte eigentlich verkauft und was der Freier erwirbt – und ob es sich dabei überhaupt um dasselbe handelt.“

Was ist jetzt die „Dialektik der Hure“?
Nachlese zum ROTEN SALON mit Theodora Becker

Von Henry Grotkasten

Zur Veranstaltung mit Theodora Becker am Montag, 5. Mai, der Lesung und Diskussion zu ihrem Buch »Dialektik der Hure« haben wir als ROTER SALON HAMBURG im Vortragsraum der StaBi erneut einen Besucherrekord verzeichnen können! Genaue Zählungen haben wir bei keiner der Veranstaltungen durchgeführt; mit Blick auf die gefüllten Stuhlreihen und manche als Sitzmöglichkeit zweckentfremdete Tische freuen wir dennoch sehr, auch über die wieder vielfältigen Besucher:innen! Und dies gerade oder wegen einem kontroversen Thema?
Ein Familientherapeut, mit dem ich mich einmal unterhielt sagte mir, dass die explosivsten Themen unter seinen Patient:innen seien ›Geld‹ und ›Sex‹. An diesem Abend ging es (unter anderem) um beides, um das Geld in jedem Fall, um den Sex als ‚Ereignis‘ in der Arbeit der Hure/Prostituierten/Sex-Arbeiterin. So war der Initiator und Host Michael Hopp dann vielleicht auch etwas aufgeregt; hatte er die Moderation eigentlich an die eigens aus Wien angereiste Barbara Eder übergeben, überraschte er uns Zuhörende dann doch mit einer beinah zwanzig minütigen Einführung sowie einem mahnenden Glöckchen, das Theodora Becker und Barbara Eder an den ach so strengen Zeitplan gemahnen sollte.
Da wir jedoch nicht nur ein nachsichtiges, sondern auch spendables Publikum im ROTEN SALON empfangen, war am Ende der Veranstaltung das von uns zum ersten Mal aufgestellte Spendenglas bis zum Rand gefüllt! Vielen Dank! Mit dem Geld können wir Werbungs- und Bürokosten ausgleichen und in Zukunft ggf. bei Reise und Honorarkosten zuvorkommender werden.

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Einen Büchertisch gibt´s beim ROTEN SALON immer schon, neu war am Montag die Bitte nach Spenden. Dank an alle, die ihr gefolgt sind

Ein paar Worte zum Inhalt der Veranstaltung und zur »Dialektik der Hure«. Über die Geschichte der Prostitution, ihre Ablehnung und Einhegung, haben wir uns der Frage genähert, was die ›Ware‹ ist, die die Prostituierte dem Freier verkauft. Es ist deutlich geworden, dass das Geld Dreh und Angelpunkt des Verhältnisses ist, welches als soziale Konstruktion zwischen dem Tausch und Gebrauchswert vermittelt. Die Verdichtung von Person und Arbeitskraft ist aufgezeigt worden; in wie weit die Person in ihrem Verkauf ganz Arbeitskraft wird oder noch Person bleibt. Die Hure ist gegenüber der Prostituierten und Sex-Arbeiterin eine Künstlerin in der Verheißung von Begehren und Erlösung. Für den Freier besteht in der Begegnung mit der Hure gleichfalls ein Moment der Unverfügbarkeit. Eine Person kann eben nie vollständig gekauft/besessen werden und der Sex abgekürzt auf die bloße Penetration oder den Fetisch bleibt am Ende unbefriedigend eine erweiterte Masturbation. Die heutige Kategorisierung des Sex, die Pornographie im Sinne der totalen Sichtbarkeit und Transparenz, sowie die Entmystifizierung der Erotik, bis hin zur neuronalen Ansteuerung durch Computer, sind Entwicklungen, die das meiner Meinung nach traumatisch- mechanische der Sexualität bloßlegen und damit von der Kunst, die die Hure anbietet, entfernen. Der nach Befriedigung jagende Kunde ist jemand, der sich damit von dem Moment der Erlösung entfernt. Gäbe es damit in einer nicht kapitalistischen Welt/Gesellschaft das Andere des nackten Konsums? – Was die Kunst und was die Liebe der Hure im Detail ist, dazu findet sich ausführlicher mehr in Theodora Beckers »Dialektik der Hure« das hier erneut als Lektüre empfohlen ist.

Zum Abschluss und als Zusammenfassung von Seite 450 aus »Dialektik der Hure«:
Auch wenn eine kommunistische Gesellschaft ohne religiöse Sexualtabus zu denken wäre und auch wenn Krieg, Elend und Not in ihr nicht mehr stattfänden, so bleibt doch anzunehmen, dass der sexuelle Trieb, insofern er nicht bündig im Ich aufgeht und mit Begehren verbunden ist, konflikthaft bleiben wird – insofern werden Drang nach Selbsterkenntnis und Sehnsucht nach Erlösung nicht aufhören; ob das freilich bedeuten muss, dass es noch Huren geben wird (und Kunst), muss eine offene Frage bleiben.“

Am Montag, 30.06 sind wir mit dem ROTEN SALON und Jürgen Bönig mit »Karl Marx in Hamburg«; weniger auf St. Pauli sondern teilweise in St. Georg unterwegs, werfen wir einen Blick auf den ersten Erscheinungsort des »Kapital« und seine Zeit.

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