Ich kämpfe. Aber ich falle auch um

Hällooo! So viel neu beim ROTEN SALON Hamburg. Neue Location, das Ossietzky-Forum an der StaBi an der Uni Hamburg. Toll! Es gibt keinen passenderen Namenspatron für unser Programm als Carl von Ossietzky (1889-1938), den Schriftsteller, Autor, Journalisten und Herausgeber der „Weltbühne“, eine der bedeutendsten Stimmen linker Publizistik der deutschen Geschichte. Und neues Programm: Die erste Veranstaltung in den neuen Räumen bestreitet am 24. Februar Klaus Lederer mit „Mit Links die Welt retten“. Die weiteren, bereits fest stehenden Veranstaltungen sind bereits online zum Anmelden: https://roter-salon-hamburg.de/ Begleitung mit div. Materialien gibt es wie bisher schon: in diesem Blog

Im Beitrag des MAC geht es heute um, nun ja, wie mit Wut und Frust umzugehen sei, für die man als Linker dieser Tage schon mal anfällig sein kann. Oder stimmt die These gar nicht?

ADHS ist das Schicksal der Linken, auf jeden Fall das des MAC. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Schicksal, man kann es sich nicht aussuchen. Die Horror-Themen kommen im Moment in einer Schlagzahl, Geschwindigkeit und Intensität, dass sie kaum noch aufzunehmen sind, unmöglich, damit „umzugehen“. Wer heute Zeitzeuge sein will (es wollen ohnehin immer weniger) braucht gute Nerven, und die hat der MAC nicht. In Österreich war in Ende 70er/Anfang 80er des vorigen Jahrhunderts eine Jude Bundeskanzler. Jetzt gibt es einen „Volkskanzler“.
Der MAC hängt als Boxer im Ring und taumelt noch in die Mitte und wird zurückgeprügelt und das wiederholt sich wie in einem dieser schrecklichen GIF´s.  Ja, GIF´s in ihrem Wiederholungszwang sind heute eine gespenstisch wahre Darstellungform.
Ich arbeite, ich lese, Online, Zeitungen, Bücher stapeln sich, ich lese nur noch häppchenweise, mein Gehirn ist ein Schweizer Käse, alles ist Social Media geworden, sogar ein 150 Jahre altes Buch. In der Früh krieche ich zu Eva ins Bett. (Okay, ich bin der MAC, M.H.)

Jeden Tag 18 Stunden ON

Die Einbrüche im Klimaschutz. Der Aufstieg der Faschisten. Alles in einem Stakkato von Einzelmeldungen. Wie Schüsse. Ich bin 18 Stunden am Tag auf Empfang, sechs schlafe ich.  
Auf meinem Pult über der Heizung Berge von Zeitungsausschnitten. Da vertrocknen sie, das Papier wird rauh, bevor ich die angestrichenen Meldungen bearbeiten kann. Sie sollten über Listen der Abarbeitung zugeführt werden. ABARBEITUNG. Wie? Zitierung? Allgemeine Quellen? Wofür? Für wen?
Listen als Abwehr des totalen Chaos. Anderseits sind Listen auch Merkmale des Altseins. (Wieso „anderseits“? Wg. „alt“? „Alt“ ist immer „ander“) Auch das Anzeichnen von Artikeln. Siehe „Café unter den Linden“ wo ich einen alten Mann sah, jeden Tag, der die Zeitung anstrich, bevor er mit dem Kopf auf ihr einschlief (die Zeitung am Tisch wie ein Kissen, hartes Kissen, Papier am Marmortisch), ohne das irgendeiner Weiterverwertung „zugeführt“ (Workflow) zu haben, oder was er vor hatte, wenn er was vor hatte.
Vielleicht lassen sich Listen wie Komposthaufen behandeln – einfach lassen, es wird ganz heiss, Energie entsteht.  Ich schreibe Klaus Lederer, die tolle Literaturliste hinten drin sei ein „wichtiger Teil des Buches“. Also doch gut, alles. Und wichtig.
Gehirn, Gedächtnis, Denken; Auffassungsgabe, Analysefähigkeit; Bildung, Erfahrung, auf andere zugehen können, keine Angst haben; Zusammenhänge herstellen (etwa: Was ist der Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Satz dieses Abschnitts, fett), ein „Bild“ schaffen können, ein Bild, in dem man (ich, der MAC, wer noch will) eine Rolle spielen könnte, EIN BILD, in das eingegriffen werden könnte.
Die DKP arbeitet an einem neuen Parteiprogramm. „Aufgaben des Kommunismus in der Zeitenwende“ heisst das Arbeitspapier, es geht von „“Leitgedanke 1“ („Der Monopolkapitalismus bereitet zur Verhinderung seines Abstiegs den Krieg vor“) bis „Leitgedanke 10“ („Die DKP – unbeirrt und notwendig“). Die Partei will ein Bild gewinnen, einen Begriff, von dem, was sich auf der Welt verändert.  Klaus Lederer schreibt über seine Partei, DIE LINKE, sie hätte schon seit langem keine Antworten gefunden (Einschätzungen, Strategien), ev. haben dafür auch die FRAGEN gefehlt, die richtigen Fragen, „Fragend voranschreiten“, zitiert er einen grossartigen Spruch der PDS.
Okay, es fehlen schon die Fragen. ES FEHLT: DAS BILD, das sich befragen liesse. Ein Bild sehen, ein Bild haben, ein Bild entsteht. „Zeit im Bild“ heisst in Österreich die „Tagesschau“, genialer Titel. Für die Linke wird es im Prinzip um die Rückgewinnung der Politikfähigkeit gehen, meint Lederer, ich finde das auch. Also BILDFINDUNG, POLITIKFÄHIGKEITSRÜCKGEWINNUNG. Aber was kommt aufs Bild? Und in welchem Stil?

Über-Ich Marx

Zur Ruhe komme ich im Lesekreis, wenn wir das „Kommunistische Manifest“ Satz für Satz durchbeten in einer unerschütterlichen, anheimelnden Gewissheit, dass in dem historischen Text heute noch etwas zu finden ist, das uns heute helfen kann, das uns Maßstäbe an die Hand gibt und, ja, Möglichkeitsräume (Scheißwort) eröffnet, an denen es heute fehlt, so pfaffenhaft das auch klingt.
Es muss doch ETWAS ANDERES geben als den KAPITALISMUS, das fragt man sich heute sogar in der urkapitalistischen Wirtschaftsberatung Roland Berger. ES MUSS. Sonst: Barbarei, heisst ja nicht anderes als: ungezügelte Rohheit.
Der  mächtige Text des „Manifest“ ist wie eine Droge, nur dass man aus der Betäubung wacher erwacht, als man vorher war, gelassener auch. Gelassenheit. Jaaa. Ein schönes Ziel. Ich bin eher der Hysteriker, das aufgescheuchte Huhn.

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Da war er wieder! Zu Weihnachten holten Der Freitag und die taz (Abbildung) Karl Marx auf die Titelseiten. Wieso?


Eigentlich wollte ich was schreiben über das „Über-Ich“ Marx. Der Freitag und die taz hatten zu den Weihnachtstagen Marx-Titel, „Merry Christmarx“ hieß es am „Freitag“ etwas doof, auf der taz „Wenn er das erleben könnte“ (ironisch gemeint im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt Chemnitz).
Marx ist das „Über-Ich“, das immer angerufen wird, bewusst oder unbewusst, wenn es mal wieder nicht weitergeht, wie schon damals bei der Finanzkrise, als seine politische Ökonomie wieder relevant wurde. Und wie jetzt, wo wir auch feststecken.
Psychoanalytisch ist das „Über-Ich“ eher das, was das schlechte Gewissen macht. So gesehen haben wir zu wenig Marx in der Politik, naja, der ex-Stamokap Olaf Scholz kommt manchmal etwas zerknittert an.

Aber Marx braucht nicht einen wie den MAC als Verteidiger. Er ist einfach da. Die Liebe zu ihm, sei der Sehnsucht nach Überschaubarkeit geschuldet, heißt es etwa in Klaus Lederers „Mit Links die Welt retten“ (am 24.2. im ROTEN SALON HAMBURG) – dem ist entgegenzuhalten, dass Denken immer der Versuch ist, Überschaubarkeit herzustellen – und das Denken von Marx ein guter Ausgangspunkt. Leutselig sage ich manchmal: „Marx ist nicht alles. Aber ohne Marx ist alles nichts.“

Linke Wut, rechte Wut, mein Gott!

Optimismus. Für mich war Optimismus immer das Grinsen der Doofen, eine Art Anpassungsleistung. Heute würde ich sagen: Optimismus müsste für Linke Pflicht sein. Optimismus ist eine Kraftanstrengung, der Depression anheim fallen, eine Schwäche. Aus der Depression kann man nichts bewirken. Was ist aber mit der Wut?
Wir leben in einer Zeit der Lüge und einer aggressiv auftretenden Asozialität.  Es gibt eine breite Mittelschicht, sagt ein Soziologe, die von allen Werten befreit ist und nur ans Geldverdienen denkt und wie man Steuern spart. Ihr Pate ist Christian Lindner. Ach egal. Aber was will man dem entgegensetzen? Diese Leute sind für uns nicht ansprechbar. Für sie – die Schaumtorte.
Die Realität verändert sich schneller, als wir erfassen können. Mit unseren langwierigen „Einschätzungen“ hinken wir dahinter her, auch wenn wir rückblickend recht gehabt haben werden. Was gestern noch Science Fiction war, Dystopie, negative Utopie, also selbst der ganze geniale Marvel-Quatsch, wenn Superschurken immer nach der Macht greifen (und umgekehrt Mächtige immer Superschurken sind), ist heute Realität.
Kalifornien brennt weil die Regenzeit immer kürzer wird und Google tritt an, die US-Regierung zu übernehmen.
Facebook macht sich hübsch für Trump und hebt alle Barrieren gegen Fake-News und Falschbehauptungen auf.  
Und ich, wir, sind machtlos, gefangen, verstrickt, Rädchen im System. Wie Kühe, die auf die Schlachtbank geführt werden, tun wir nicht das Naheliegende, und kündigen unsere Accounts. Nein, wir befüllen sie weiter (arbeiten weiter gratis für Meta), weil wir sonst fürchten, unsichtbar zu werden, von der Bildfläche zu verschwinden. Es gibt keine Utopie mehr, ein faires Internet aufzubauen, nein, der Zug scheint abgefahren. Ein Projekt von der Dimension traut sich „die Linke“ gar nicht mehr zu. Noch ein „Gestaltungsraum“, der dahin ist.

In der Falle Schimpf

An wem will man sich also noch abarbeiten, nur so spaßhalber?
An Friedrich Merz, Christian Lindner, Herbert Kickl, Alice Weidel, Elon Musk und all die üblen Gesellen, die uns den Schlaf rauben? NAMEN, DIE MAN NICHT MEHR HÖREN KANN. Ach nein, so wichtig dürften die doch gar nicht sein.
Oder an der neoliberalen, fast schon Mehrheit derer, die nur noch ihren eigenen, dummen Interessen nachgehen und in Politikern Dienstleister sehen, die dazu da sind, ihre Privilegien absichern, Steuern runter, Ausländer raus (obwohl sie die als Putzkräfte brauchen) – es ist doch diese, früher eher nach links, heute klar nach rechts tendierende Mittelschicht, die Figuren wie Lindner nach oben schwemmt.
Und die, wie die AfD, ihre Macht auf die Wut der Zurückgebliebenen stützen, denen sie falsche Versprechungen machen.

STOP. Die Schimpffalle. Genau das wollen wir doch nicht, Schimpfen aus Schwäche, das macht auch uns hässlich. Doch mit der Wut ist schwer, richtig umzugehen.  Linke Wut, rechte Wut, mein Gott!  Am Ende muss man wahrscheinlich sagen, Wut ist immer schlecht.  Aber auch menschlich.
Wenn Lindner, wie gestern, eine Schaumtorte ins Gesicht bekommt, ja, genau richtig, absolut nachvollziehbar.
Die Politikerin der Linken, die das gemacht hat, muss sich dann aber aus der eigenen Partei und von Olaf Scholz anhören, sie zerstöre die Demokratie. Hä? Ist es nicht eher Lindner, der die Demokratie zerstört, mit seiner ekelhaften Spaltungshetze zwischen ordentlichen Bürgern und Unterstützungsempfängern?

Syrer sind so fleißig wie Deutsche

Oder die schmutzigen Flüchtlingsbegrenzungs-Kampagnen, mit denen inzwischen so gut wie alle, nicht nur CDU/CSU und FDP, sondern auch Grüne, BSW und teilweise SPD Stimmen holen wollen – und die einfach auf falschen Tatsachen beruhen, wenn sie von „ständig steigenden Zahlen“ und „überforderten Gemeinden“ predigen.
Die Realität zeigt, daß die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland sinkt.
„Von Überforderung ist vielerorts keine Rede mehr“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“: „Zugleich steigt, die Zahl der Abschiebungen an. Anders als von der Union suggeriert, hat die Ampelregierung die härtesten Abschiebegesetze eingeführt, die es je gab. Auch das Vorurteil, dass viele Geflüchtete aus Syrien in Deutschland auf der faulen Haut liegen und gehen müssten, wenn sie nicht arbeiten, widerlegt die Statistik. Forschern zufolge gehen von den länger hier lebenden syrischen Menschen mehr als 60 Prozent einer geregelten Beschäftigung nach. Unter Männern sind es 73 Prozent. Damit liegt die Gruppe der Eingewanderten nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt.“ Übrigens: Rückgang der Asylanträge in Österreich: 16 Prozent.
Fakten-Check, ach ja. Von Facebook soeben abgeschafft.

Wie will man denn mit diesen irrwitzigen Manipulationen von hochrangigen Politikern umgehen? Und wie will man verhindern, dass diese Lügen-Konstrukte sich wie eine ansteckende Krankheit ausbreiten, bis in die bisherigen Links-von-der-Mitte Parteien?
Geduldig weiter Fakten-Checken ist sicher die richtige Antwort. Und im demokratischen Dialog entgegenhalten.
Das darf uns aber nicht vom Schaumtorten-Werfen abhalten, schon für die psychische Gesundheit. Den ganzen Frust wegstecken ist auch nicht gesund. Auch nicht vom Anfahrtswege blockieren, wie morgen beim AfD-Parteitag in Riesa. 
Lassen wir uns das Militante, das Aktionistische nicht abtrainieren!
Die Öffentlichkeitswirkung lässt sich ohnehin nicht kontrollieren.  
Und auf jeden Fall: Freiheit für Daniela Klatte!  

MAC ZITAT

„Mir geht es viel besser, seit ich dir verboten habe, in der Früh in mein Bett zu steigen und mich gleich voll zu quatschen“, sagt Eva und der MAC überlegt, wie er reagieren soll.
Vor dem Verbot war es so gewesen, dass er Eva, nachdem er schon eine Stunde Zeitung lesend und Online surfend im eigenen Bett gelegen hatte, einen Überblick der aktuellen Katastrophen gegeben hatte. „Du bist dann schon so angespannt und lädst den ganzen Müll bei mir aus.“
Was sich der MAC dann gedacht hat: Sachen auch mal mit sicher selber ausmachen. Mit der eigenen Überforderung nicht andere anstecken. Optimismus trainieren! Er ist eine Kraft, die auch andere stark machen kann.
Und dann: wieder zu Eva ins Bett dürfen!

NEU AM LESETISCH

Tanja Röckemann: Gisela Elsner – Die Welt betrachtet ohne Augenlider, Verbrecher Verlag, 2024
Die Schriftstellerin, der Kommunismus und 1968 – eine großartige Arbeit über Möglichkeiten und Beschränkungen „politischer“ Autoren

Philipp Lenhard: Café Marx – Das Institut für Sozialforschung von den Anfängen bis zur Frankfurter Schule, C.H. Beck, 2024
Ehrfurchgebietend viel Stoff, aber sicher lohnend: Adorno, Horkheimer, Marcuse – wie der Marxismus seit 1918 die Sozialwissenschaften belebt

UND AM PLATTENTELLER

Father-John-Misty: MAHASHMASHANA, Produced by Josh Tillman and Drew Erickson, Bella Union Records
Das ist POPmusik, wie sie heute sein kann, altväterlich cool

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