SPEZIAL: Ossietzky, der ROTE SALON, sein Auftrag und die Gäste der nächsten Zeit

Mit der Veranstaltung mit Klaus Lederer am Montag, 24. Februar, findet der ROTE SALON HAMBURG erstmals im Ossietzky Forum der Hamburger StaBi statt. Von der Lederer-Veranstaltung, die übrigens am Tag nach der Bundestagswahl stattfindet, wird hier noch mehr zu erfahren sein.
Worum es heute gehen soll: Wie sehr sich Universitäts- und Forum-Schirmherr  Carl von Ossietzky auch als Orientierung für den
ROTEN SALON eignet.
Der am 3. Oktober 1889 im Hamburger Gängeviertel geborene Ossietzky war Autor und Journalist, Revolutionär, Pazifist und Widerstandskämpfer. 1938 starb er an den  Folgen zweier KZ-Aufenthalte. Den 1935 zugesprochenen Friedensnobelpreis durfte er persönlich nicht entgegennehmen.

Ein Leben für das politische Schreiben

1889 3. Oktober: Carl von Ossietzky wird in Hamburg als Sohn eines aus Schlesien eingewanderten Stenographen und einer Geschäftsfrau geboren.
1904 Ossietzky verlässt die Mittelschule, ohne die Mittlere Reife erlangt zu haben.
1907-1914 Er arbeitet als Hilfsschreiber beim Hamburger Amtsgericht.
1908 Mitglied in der Demokratischen Vereinigung und in der Deutschen Friedensgesellschaft.
1911 Ossietzky wird Mitarbeiter der Zeitschrift „Das freie Volk“.
1913 Heirat mit der Engländerin Maud Lichfield-Wood, mit der er eine Tochter hat.
1914 Aufgrund eines Artikels wird Ossietzky wegen „Beleidigung der Militärgerichtsbarkeit“ zu einer Geldstrafe von 200 Reichsmark verurteilt.
1916-1918 Im Ersten Weltkrieg dient er als Infanterist an der Westfront. Nach der Teilnahme an der Schlacht von Verdun schreibt er Artikel gegen die Romantisierung und die Fortsetzung des Krieges.
1919 Während der Novemberrevolution arbeitet Ossietzky nach seiner Demobilisierung für den Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat. Juli: Er zieht nach Berlin um und wird dort Generalsekretär der Deutschen Friedensgesellschaft.
Veröffentlichung seiner einzigen selbständig erschienenen Schrift „Der Anmarsch der neuen Reformation“, in der er die Bedeutung eines zivilen und demokratischen Staatsbewusstseins für die Weimarer Republik betont.
1920 Ossietzky arbeitet hauptamtlich für die sozialdemokratische „Volks-Zeitung“.
Als Mitinitiator der Friedensbewegung „Nie wieder Krieg!“ lernt er Kurt Tucholsky  kennen.
1922-1924 Verantwortlicher Redakteur der „Volks-Zeitung“.
1924 Ossietzky ist Mitbegründer der kurzlebigen Republikanischen Partei.1924-1926 Er arbeitet in der Redaktion der linksliberalen Wochenzeitung „Das Tage-Buch“ und beim „Montag-Morgen“.
1927 Ossietzky wird Chefredakteur der „Weltbühne“, für die auch Tucholsky arbeitet. Als Herausgeber der „Weltbühne“ wird Ossietzky einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. In seinen Leitartikeln wendet er sich gegen die Aushöhlung der Verfassung und kritisiert die Parteienpolitik. Wegen seiner Kritik an der Wiederaufrüstung wird er mehrmals vor Gericht verurteilt.
1931 Nach einem Artikel über die geheime Rüstung der Reichswehr wird er in einem aufsehenerregenden Prozess wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Haft verurteilt.
1932 Mai: Ossietzky tritt im Berliner Gefängnis Tegel seine Haftstrafe an.
Dezember: Aufgrund einer Weihnachtsamnestie wird er vorzeitig freigelassen.
1933 Januar: Nach der Machtübernahme   der Nationalsozialisten lehnt Ossietzky die Flucht ins Ausland ab.
28. Februar: In der Nacht des Reichstagsbrands wird er von der Geheimen Staatspolizei  (Gestapo) festgenommen und gefoltert.
März: Verbot der „Weltbühne“.
April: Ossietzky wird in einem Konzentrationslager bei Küstrin, dem KZ Sonnenburg, inhaftiert.
1934 Überführung in das KZ Esterwegen (Emsland).
1936 Mai: Mit einer schweren Tuberkulose wird er in das Staatskrankenhaus der Polizei in Berlin eingeliefert. Er bleibt dort weiterhin unter Bewachung.
November: Ossietzky wird der Friedensnobelpreis rückwirkend für das Jahr 1935 zuerkannt.
Die Annahme des Nobelpreises und des Preisgeldes wird ihm zwar erlaubt, nicht aber die Entgegennahme des Preises in Oslo. Die Preisverleihung findet ohne Ossietzky statt.
Adolf Hitler verfügt anschließend, dass kein Deutscher mehr einen Nobelpreis annehmen dürfe.
1938 4. Mai: Carl von Ossietzky stirbt im Berliner Krankenhaus Nordend, noch immer unter Polizeiaufsicht, an den Folgen der schweren Misshandlung und der Tuberkulose.

© Deutsches Historisches Museum, Berlin

Großartiger Schreiber, genialer Chefredakteur

Ossietzky war ein großartiger Schreiber, der die politische Reportage genauso beherrschte wie die Kulturkritik, der beißend und empfindsam sein konnte, aus der Subjektivität schöpfte, ohne sich in ihr zu verlieren.
Ab 1927 war er Chefredakteur der „Weltbühne“, die schon früh als Inbegriff für kritisches Engagement in Deutschland galt, als ein Blatt, das die Republik verteidigt, sich gegen die Feinde der Demokratie wendet und den Regierenden ihre politischen Fehlleistungen vor Augen führt.
 
Zwischen 1905 und 1933 schrieben 2000 Autoren für die „Weltbühne“. Ossietzky hatte damit die gesamt linke Intelligenz der Weimarer Republik versammelt. Er hat ihre Arbeit mit ermöglicht und ihre Texte einem breiteren Publikum vermittelt.
Kurt Tucholsky, Annette Kolb, Siegfried Jakobsohn und Erich Kästner sind als „Weltbühne“-Autoren nur die meist genannten, die neben weiteren wie den Pragern Egon Erwin Kisch, Joseph Roth und den Wienern Alfred Polgar und Egon Friedell die Zeit der Weimarer Republik begleiteten – eine unglaubliche Ahnengalerie, die für meine Generation an Journalisten noch absolut prägend war.

„Der rasende Reporter“ von Kisch war das erste Buch, das ich als „Lehrbuch“ annehmen konnte. Und was wir später als „neuen Journalismus“ propagierten, sollte nichts anderes sein als das genresprengende, für alle Signale der Zeit empfängliche, aber immer politische und engagierte Schreiben im Zeichen dessen, was gerade „links“ schien.

Ein Auftrag für den ROTEN SALON

Journalismus, Feuilleton und Literatur bedeuteten damals, Mißstände aufzuzeigen, sich politisch einzumischen – aber auch, politisch aktiv zu sein, nicht nur im Kaffeehaus zu sitzen und sich nicht zum Teil des Klüngels zu machen, sondern Aussenseiter zu bleiben. Bis in den Tod, wie es bei Ossietzky der Fall war.
Zu einem solchen Verständnis von Publizistik beizutragen und Beispiele zu zeigen, wo dieses Verständnis heute lebendig und vielleicht auch wirksam ist  – das ist die Mission des ROTEN SALON HAMBURG. M.H.

IM ROTEN SALON BIS MAI 2025

Montag, 24. Februar 2025: Klaus Lederer, Mit Links die Welt retten, Kanon Verlag

Worum geht es im Buch? Worüber kann mit dem Autoren im ROTEN SALON diskutiert werden?

Nicht nur die Welt steckt aktuell in lauter akuten Krisen, die von Menschen in Gang gebracht wurden. Auch die linke Bewegung steckt in der Krise, scheint völlig marginalisiert zu werden, während rechte und populistische Parteien den Leuten ihre faulen Rezepte von vorgestern als neuen heißen Scheiß verkaufen. Was ist da los mit der Linken, fragte sich deshalb einer der bekanntesten Linken der Republik, Klaus Lederer. Von 2016 bis 2023 war er Kulturbürgermeister in Berlin. Dann kam ja bekanntlich jene Landtagswahl mit den vielen Unregelmäßigkeiten durch einen parallel stattfindenden Marathonlauf, die dann wiederholt werden musste.   Und wie das so ist mit dem Wähler, dem unberechenbaren Wesen: Der wählte beim zweiten Urnengang die CDU zur stärksten Kraft und die Linke flog raus.
Und damit hatte Klaus Lederer endlich mal Zeit, sich hinzusetzen und etwas intensiver darüber nachzudenken, warum die Linke – womit er nicht nur seine Partei meint – derart in die Defensive geraten konnte.

Hat sie keine Angebote mehr für die Menschen im Land? Sind ihre Rezepte veraltet? Gibt es niemanden mehr, für den sie Politik machen könnte? Oder ist es schlicht ihre offen ausgetragene Zerstrittenheit, die dann Anfang 2024 in der Gründung einer neuen Splitterpartei mündete, welche die Linke zusätzlich schwächte?
Lederer fängt da lieber ganz vorn an, bei sich selbst und den Gründen, warum er als junger Mensch 1992 in die PDS eintrat – und nicht etwa bei SPD oder Grünen, wo ihn so mancher Zeitgenosse eher verortet hätte. Das geht einem mit manchem Linken so, nicht mit allen. Und natürlich hat das Gründe in der gemeinsamen Wurzel, die viele Wahlkämpfer scheinbar völlig vergessen haben.

Und die heißt nicht Karl Marx, auch wenn Lederer sich in diesem Buch auch intensiv mit dem beschäftigt, was Marx tatsächlich geschrieben hat – und was nicht. Denn ein Bleigewicht, das ein Teil der Linken bis heute mit sich herumschleppt, ist ein marxistischer Dogmatismus, oft verbunden mit einem linken Sektierertum. Was dann für eine verlässliche Regierungsarbeit in linken oder liberalen Bündnissen praktisch keine Grundlage bietet.
Aber dass man das, was Marx als Sozialismus bezeichnete, nicht geschenkt bekommt, dürfte sich ja in den vergangenen 170 Jahren herumgesprochen haben. Und auch, dass Revolution in den Schriften des Dr. Karl Marx nicht unbedingt gewalttätige Umwälzung bedeutet. Eine Lehre, die ja bekanntlich schon die deutsche Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert zog und fortan auf einen Kurs der Reformen setzte.

Dass die organisierte Arbeiterschaft dabei bis weit in die 1960er Jahre die wichtigste Rolle spielte, um den Kapitalismus zu zähmen, darauf geht Lederer natürlich auch ein. Wer die eigene Geschichte nicht kennt, der lernt natürlich nichts draus. Auch nicht aus den Fehlern, die gemacht wurden. Und für Lederer steht fest, dass die Linke sich nach 1990 viel zu wenig mit der Aufarbeitung des 1989 endlich überwundenen Stalinismus beschäftigt hat.
Denn erst das öffnet den Weg zu begreifen, was eigentlich in der neuen geschichtlichen Phase passierte, für die der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama schon „das Ende der Geschichte“ diagnostizierte, obwohl es lediglich das Ende des Kalten Krieges und des „Realsozialismus“ war. Was klügere Zeitgenossen dann in dem schönen Spruch zusammenfassten: Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übrig geblieben.

2023 sept klaus lederer 11 ken yamamoto
Klaus Lederer wurde 2005 zum Landesvorsitzenden der LINKEN in Berlin gewählt. Von 2016 bis 2023 war er Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa in Berlin

Was natürlich die Frage aufwirft: Was ist dann aus den ganzen sozialistischen Ideen geworden? Stehen sie nur noch in den Wahlprogrammen der Linkspartei?
Nicht wirklich, stellt Lederer fest, dem noch bewusst ist, dass auch die Ideen des Sozialismus ihren Ursprung in der Französischen Revolution von 1789 haben, in jenem „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, das bis heute keine einzige Gesellschaft je verwirklicht hat, bestenfalls in Ansätzen. Was in einem längst pervertierten Freiheitsbegriff seinen Grund genauso hat wie in den ökonomischen Grundlagen und Zwängen der Gesellschaft, die Karl Marx in seinen vielen dickleibigen Schriften zu verstehen versuchte.

Denn wenn man die zugrunde liegenden Prozesse einer (entfesselten) kapitalistischen Gesellschaft nicht verstanden hat, kann man sie weder reformieren noch reparieren oder gar einhegen, wenn sie – wie wir das aktuell erleben – die Grundlagen unserer Existenz auf der Erde systematisch zerstören.
Ein politisches Thema, auf das Lederer ebenfalls ausgiebig eingeht. Denn in der Klimakrise, im Artensterben und der Zerstörung irdischer Ressourcen bündelt sich auch das zentrale Thema linker Politik: das der sozialen Gerechtigkeit. Denn das unregulierte Wachstumsdenken greift ja nicht nur mit Gewalt auf alle verfügbaren Rohstoffquellen, auf Wälder, Böden und Wasservorräte zu.

Es verfügt auch über die Arbeitskraft der Menschen, produziert nicht nur die Armut im globalen Süden (und tut alles, um diese Armut zu erhalten), sondern auch die Armut in den hoch entwickelten Ländern, denen es eigentlich ökonomisch ein Leichtes sein sollte, allen ihren Bürgern ein gutes und menschengerechtes Leben zu ermöglichen.

Und Lederer ist sich nur zu sehr dessen bewusst, was die meisten einstigen DDR-Bürger immer verdrängt haben: Dass man 1990 eben nicht Teil jener bewunderten alten Bundesrepublik wurde, die mit dem Wirtschaftswunder und dem Versprechen eines Wohlstands für alle Bürger jahrzehntelang über die Bildschirme flimmerte.
Was 1990 mit ungebremster Wucht zuschlug, war schon der 1983 durch Kohls „Wende“ eingeleitete Neoliberalismus, der nach der deutschen Einheit mit der Privatisierung einst verlässlicher Staatskonzerne (wie Bahn und Post) ein neues Kapitel eröffnete.

Der Neoliberalismus, der geistig auf den theoretischen Vorarbeiten von Friedrich August von Hayek und Milton Friedman beruht und in den frühen 1980er Jahren von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien zur Staatsdoktrin erhoben wurde, will nicht nur den sogenannten „schlanken Staat“ (für den Sozialausgaben des Teufels sind).
Sondern er will auch unregulierte Märkte (auf denen den dort agierenden Konzernen keine Hemmnisse in den Weg gelegt werden) und vor allem das, was so gern als „Steuersenkung“ verkauft wird, obwohl es dabei stets nur um die Senkung der Steuern der Reichen und Besitzenden geht. Um es einfach kurz zusammenzufassen.Lederer ist ja nicht der Einzige, der bemerkt hat, dass mit der FDP eine neoliberale Partei mit in der Regierung sitz und alles verhindert, was die Bundesrepublik eigentlich dringend braucht, um sich den aktuellen Krisen anzupassen. Nicht nur wird bei den dringend notwendigen Investitionen für die Energiewende gespart. Mit Verweis auf die Schuldenbremse (eine neoliberale Erfindung) begründet der Bundesfinanzminister auch immer neue Vorstöße zu sozialen Einschnitten.

Die soziale Frage steht also mitten im Raum. Und Lederer ist sich nur zu gut dessen bewusst, dass die multiplen Krisen, in denen (nicht nur) Deutschland steckt, nur gelöst werden können, wenn die Lösungen auch sozial abgefedert sind und nicht immer nur die Armen und Schlechtbezahlten dafür blechen. Und er hat auch nicht vergessen, wie die Corona-Krise überall offen legte, dass die Grundversorgung, die dieses Land eigentlich einmal zu sichern versprach, überall morsch und kaputtgespart ist – von den Gleisen der Bahn über die heruntergesparten Krankenhäuser und Pflegeheime bis zum Bildungssystem.
Überall fehlen die Leute – und das auch wegen unzumutbar gemachter Arbeitsbedingungen. In der kapitalistischen Verwertungslogik nur zu folgerichtig. Wenn man die Gewinne für die Aktionäre steigern will, muss man beim Personal sparen, werden Schichtbesetzungen ausgedünnt und Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeiten für selbstverständlich erklärt. Verfügbarkeit, Flexibilität, Karriere. Eine Sprache, die sich in den vergangenen 34 Jahren so tief eingefressen hat, dass die meisten Bundesbürger sie gar nicht mehr infrage stellen.

Und ebenso wenig stellen sie in Frage, dass selbst ihre Privatsphäre mittlerweile verwertet wird und übermächtige IT-Konzerne aus den USA unsere Medienlandschaft zerstören, während a-soziale Netzwerke zum Tummelplatz rechter Verschwörungstheorien und Falschbehauptungen geworden sind. Genau dort haben sich rechtsextreme Parteien ihren Resonanzraum geschaffen, mit dem sie den Menschen wieder einreden, die Lösung für alle Probleme liege in Abschottung, weißem Rassismus und Nationalismus.
Ein Angebot, das gerade jene Menschen abholt, die sich in ihrem Alltag nicht mehr wirklich wertgeschätzt und gleichberechtigt fühlen. Jene Menschen, die eigentlich die prädestinierten Wählerinnen und Wähler der Linken sein müssten.

Text: Ralf Julke, Leipziger Zeitung, 25. März 2024

joerg spaeter 14539
Jörg Später ist promovierter Historiker und freier Autor. An der Universität Freiburg ist er mit der Forschungsgruppe Zeitgeschichte assoziiert

Montag, 10. März 2025: Jörg Später, Adornos Erben, Suhrkamp Verlag

Worum geht es im Buch? Worüber kann mit dem Autoren im ROTEN SALON diskutiert werden?

Adornos Erben schreibt die Geschichte der Kritischen Theorie auf neue Weise: als große, vielstimmige Erzählung aus der alten Bundesrepublik – einem Land, das zwanzig Jahre mit Adorno existierte und zwanzig Jahre ohne ihn.
Im Oktober 1949 kehrte Theodor W. Adorno aus dem amerikanischen Exil in seine Geburtsstadt zurück, um wieder an einer deutschen Universität zu lehren. Frankfurt lag in Trümmern, die Nazis hatten nur die Kleider gewechselt, aber die Studierenden kamen in Scharen. Bald war der Philosoph wöchentlich im Radio zu hören und zum Stichwortgeber und »Erzieher« der jungen Bundesrepublik geworden. Als Adorno 1969 starb, waren das Institut für Sozialforschung und sein Direktor bundesweit bekannt. Die Frankfurter Schule war am Zenit ihrer Wirkung.
Dieser Denkraum und seine Metamorphosen zwischen Nachkrieg und Wiedervereinigung sind das Thema dieses Buches, zwölf Mitarbeiter Adornos seine Protagonisten. Nach dem Tod des »Meisters« zerstreuten sie sich von der Stadt am Main nach Gießen, Lüneburg oder Starnberg. Jörg Später folgt ihren Wegen und schildert, wie sie in Wissenschaft, Politik und den neuen sozialen Bewegungen Adornos Erbe annahmen und veränderten.
Adornos Erben: Regina Becker-Schmidt, Gerhard Brandt, Ludwig von Friedeburg, Karl Heinz Haag, Jürgen Habermas, Elisabeth Lenk, Oskar Negt, Helge Pross, Alfred Schmidt, Herbert Schnädelbach, Hermann Schweppenhäuser, Rolf Tiedemann

Text: Suhrkamp Verlag

download 1
Tadzio Müller, Autor und Aktivist, war bis 2021 als Referent für Klimagerechtigkeit und internationale Politik in der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigt

April (Tag folgt): Tadzio Müller, Wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben, Mandelbaum Verlag

Worum geht es im Buch? Worüber kann mit dem Autoren im ROTEN SALON diskutiert werden?

Inmitten von Klimakatastophe, Rechtsruck und Hoffnungslosigkeit erzählt der bekannte Klimaaktivist Tadzio Müller in fünf Kapiteln die Geschichte (s)eines Weges von einer Klimadepression, durch die Akzeptanz der Unausweichlichkeit des Klimakollapses: Zurück zur Bewegung und der dort wiedergefundenen Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft, trotz Kollaps und Faschisierung!
In der Klimakatastrophe, die nicht zu mehr Rationalität führt, sondern zu mehr Verdrängung ,müssen Klimaschutz und Klimabewegung scheitern, egal, ob großer Klimastreik oder friedliche Sabotage. Konfrontiert mit ihrem Scheitern verroht die gesellschaftliche Mitte immer mehr, wird zur schamfreien Arschlochgesellschaft. In dieser Situation gibt es für die Klimabewegung nur den Weg zur Erneuerung als solidarische Kollapsbewegung. Dafür bedarf es der Trauerarbeit, ohne die wir unbequeme Fakten nicht anerkennen können.
Im letzten Kapitel will Tadzio Müller nicht nur intellektuelle Arbeit anstoßen, sondern qua emotionaler Aufladung Resonanzen erzeugen.

Text: Mandelbaum Verlag

theodora becker 100~ t 1728996516041 v 4to3 retina
Theodora Becker, Autorin, studierte Philosophie, Politik- und Kulturwissenschaften und arbeitet u. a. im Gast-, Ausgrabungs-, Schreib-, Korrektur- und Ausschankgewerbe.

Montag, 5. Mai 2025: Theodora Becker, Die Dialektik der Hure, Mattes & Seitz Verlag

Worum geht es im Buch? Worüber kann mit der Autorin im ROTEN SALON diskutiert werden?

Was eigentlich verkauft die Hure dem Freier? Was ist dieser »Sex«, den sie feilbietet, und woran bemisst sich sein Wert? Der Unmöglichkeit einer einfachen Antwort auf diese Fragen liegt die Ambivalenz zugrunde, mit der die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft auf die Prostituierte und ihr Gewerbe blickt. Die Hure ist in den Worten Walter Benjamins »Verkäuferin und Ware in einem«, sie verdinglicht sich zum käuflichen Objekt und bleibt doch unverfügbares Subjekt. Bis in die Debatten der aufgeklärten Gegenwart erscheint sie zugleich als preisgegebenes Opfer und arbeitsscheue Betrügerin, die Prostitution als unverzichtbare Einrichtung und zu bekämpfendes Übel.
Wie sehr das auch mit dem bürgerlichen Blick auf Frauen und ihre Körper zu tun hat, der zu jeder Zeit Kontrolle und Voyeurismus, Distanz und Neugier gleichermaßen ist, untersucht Theodora Becker in ihrer Dialektik der Hure und fragt nach der Ambivalenz der sexuellen Ware, die diesen Zuschreibungen und Umgangsweisen zugrunde liegt. Dabei verfolgt sie anhand der Prostitution den Zusammenhang von Subjektivität, Sexualität, Warenform und Arbeit in der bürgerlichen Gesellschaft sowie seine Wandlungen seit dem 19. Jahrhundert und spielt mit der Sehnsucht des Lesers, hinter den Vorhang zu blicken, um einen verstohlenen Blick auf die dort arbeitenden Huren zu erhaschen.

Text: Mattes & Seitz Verlag

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to Top
Scroll to Top