Wir brauchen mehr linke Journalisten, sonst verlieren wir

(Look What They Have Done To My Song, Ma)

ABFALL FÜR ALLE. Gestern das neue Blog-Konzept (dem MAC beim Schreiben über die Schulter schauen lassen) D. vorgestellt (das Pseudonym aus dem MAC finde ich nicht auf die Schnelle). Reaktion: positiv, aber er ist immer positiv bei sowas, oder vielleicht nur höflich (Vater-Sohn?). Die  Formulierung fällt mir ihm gegenüber so viel leichter, magic! Also, den ganzen Schreib- und Verdauprozess im ständigen Kampf gegen die totale Verwirrung und gegen die Zeit, „transparent machen“, sagt man doch.
Die Zeit läuft immer mit. Es ist nicht mehr viel Zeit, für nichts. In dem verkürzten Wahlkampf fehlt auch die Zeit, niemand hat sich richtig was überlegt, alle verschwimmen im Durcheinanderquatschen. Gestern hat sich Merz arg verstolpert.
Vor D. habe ich das Konzept in Richtung Live-Lesung „weiterentwickelt“, wie man sagt, so dahin geredet (so tun, als hätte man, was einem gerade einfällt, sich schon vorher zurecht gelegt). Und zwar, live, ich sitze da mit Laptop und Beamer – und habe vorher noch nichts geschrieben, nichts mit gebracht, schreibe dann live und zum Zuschauen vor Publikum, den entstehenden Text sieht man im Beamer. Performativ! (Oder ist es peinlich, wenn der MAC jetzt auch damit ankommt ?!) Wie für den Blog würde es ja reichen irgendwie falsch oder auch mal richtig aus den Clippings abzutippen. Worte fehlen, „Gedankengänge“ brechen ab …

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ROTER SALON I. LIEBER KLAUS. Habe mir vorgenommen, nächste oder übernächste Woche Klaus Lederer einen (offenen?) Brief zu schreiben, statt einer Buchrezension. Wie wird „man“ (?) wieder politikfähig, als „Linke“? Warum verfangen z.b. soziale Themen (Ungleichheit, Wohnen) nicht so richtig? Geht es überhaupt über „Themen“? Henry, der für DIE LINKE am Infostand steht, sagt, er findet es inzwischen sinnlos, den Leuten so hinterherzulaufen, ihnen alles vorzukauen. Auf das hätten die keinen Bock. Guter Gedanke. Meint er, die Leute müssten sich auch aus sich heraus motivieren können? Für mich kann ich sagen, ich wurde nie von einer politischen Bewegung angesprochen oder angeworben. Ich bin denen immer eher nachgelaufen, fand dann gut, wenn die mich okay fanden. Aber was hat mich motiviert? Irgendwie alles. Der Hass auf den Vater. „If“. Floh de Cologne. „It´s Allright Ma ( I´m Only Bleeding)“ … na-o-keei, der bescheuerte Song von Melanie oben dran auf diesem Text (Headline?) auch.

NUR NICHT ÜBER TRUMP REDEN. ES NERVT !!! Im Lesekreis in der Lindenallee sage ich, „digitaler Faschismus“ wäre ein gutes Thema, bzw. ist es überhaupt Faschismus (ich finde nicht). Dann sage ich, dass in diesem 180 Stundenkilometer-Shit-Storm den Trump entfesselt hat, kein Begriff, kein Wort ein längere Glaubwürdigkeit hat als im Moment des Hochladens, Versendens, Aufmachens, Aufblitzens (also, wenn Dir die Scheisse mit viel Aufprallkraft von der hohen Geschwindigkeit in Gesicht peitscht, ja, peitscht!). Also, keine Worte mehr, die was bedeuten, keine Begriffe, die verbindlich sind, auf die wir uns verständigen. – Das ist die Strategie, sagt Fred, zu disruptiv gehört auch, (uns) die Sprache zu zerstören.

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Am Beispiel feministischer Titel: Wie Zeitschriftenprojekte linke Intellektuelle in Serie produzierten. Aus Jörg Später, Adornos Erben, Suhrkamp Verlag, Berlin 2024

ROTER SALON II. MEDIEN. Die Veranstaltung, auf die ich am meisten angesprochen werde, war Lukas Meisner, Medienkritik muss links sein. Wenn Fox News und X die „Wahrheit“ prägen, das ist echt Apokalypse. Es lebe der Öffentlich-Rechtliche Journalismus, für ihn müssen wir kämpfen übrigens, zumindest den NDR. Wie die Tagesschau am Mittwoch vor Millionen die neuen Oxfam Zahlen (1 Prozent besitzen soviel wie restlichen 99 zusammen) in eine Grafik gepackt hat, das war große Klasse! (Aber findet ja niemand was schlimm daran.) WIR BRAUCHEN LINKE JOURNALISTEN. WIR BRAUCHEN LINKE JOURNALISTEN.WIR BRAUCHEN LINKE JOURNALISTEN.WIR BRAUCHEN LINKE JOURNALISTEN. WIR BRAUCHEN LINKE JOURNALISTEN. Wie oft soll ich das noch sagen. Wir brauchen linke Theorie – aber wir brauchen auch LINKE JOURNALISTEN, die sie unter die Leute bringen. Oder REDAKTIONEN als KADERSCHMIEDEN (Ja!) für linke, akademische Karrieren. In Jörg Lederers „Adornos Erben“ (im ROTEN SALON am 10.03.) stehen ganze Listen von in linken Redaktionen geborenen Intellektuellen. (Abbildung) Auch für mich – „biografisch“ schon oft beschrieben – sind Redaktion + Linkssein praktisch eins. Nur manche der Millionen linker Zeitungen und Magazine sind wirklich wichtig für ihre Leser geworden. Für ihre Macher und die Bewegung gesamt waren es alle. Projekt:  Eine Liste aufsetzen ALLER linken Journalisten, die ich kenne (die ich links finde) – um überhaupt mal klar zu machen, wovon ich rede. In Hamburg war das mal alles ganz gut. Dann sind der „Spiegel“ (der immer nur Leute geholt hat, wenn sie schon gut waren) und die Nannenschule (wg. schwerer Neoliberalismus-Infektion) ausgefallen, heute ist das die RTL-Schule, mein Gott. Wo sollen linke Journalisten auch herkommen? Wer den Zusammenhang historisch belegt haben will, kann in den Text unten mal reinschauen:

Die Geburt des Marxismus aus dem  Journalismus

Bevor er zum, muss man nicht erklären, wurde, war Karl Marx Journalist und Chefredakteur, das wissen vielleicht nicht alle. Erst Journalist, dann Revolutionär – das ist ein Weg, den viele der einflussreichsten Linken gegangen waren und der heute fast vergessen ist

Am 5. Mai 1818 als drittes von neun Kindern des Rechtsanwalts Heinrich Marx und seiner Frau Henriette in der Moselstadt Trier geboren, wuchs Karl Marx auf im gebildeten bürgerlichen Milieu. Die Eltern stammten aus alten Rabbinergeschlechtern, waren aber zum Protestantismus konvertiert. Durch das familiäre Umfeld und die Lehrer im humanistischen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium erhielt der junge Marx viele Anregungen im Geiste der Aufklärung und eines liberal geprägten Rationalismus. Als 17-Jähriger schreibt er in einem Abituraufsatz zum Thema „Betrachtung eines Jünglings bei der Wahl eines Berufes“:
„[…] gestatten unsere Lebensverhältnisse, einen beliebigen Stand zu wählen, so mögen wir den ergreifen, der uns die größte Würde gewährt, der auf Ideen gegründet ist, von deren Wahrheit wir durchaus überzeugt sind, der das größte Feld darbietet, um für die Menschheit zu wirken und uns selbst dem allgemeinen Ziele zu nähern, für welches jeder Stand nur ein Mittel ist, der Vollkommenheit“ (MEW Ergänzungsband I: 593). In diesen idealistisch-emphatischen Zeilen deuten sich schon die späteren Impulse zur Weltverbesserung an.

Die eigene Berufsfindung verläuft dann allerdings durchaus nicht gradlinig. Zunächst zwei Semester Studium an der neu gegründeten Universität Bonn: Rechtswissenschaft, nach dem Vorbild und auf Anraten des Vaters. Dann – auch als Akt der Emanzipation – Umzug in die preußische Metropole Berlin. An der dortigen Universität, die noch ganz im Banne des Meisterdenkers Hegel stand, intensive Beschäftigung mit den Geisteswissenschaften, speziell der Philosophie. Besonders die Junghegelianer mit ihren staats- und religionskritischen Ansichten ziehen ihn in ihren Bann. Studienabschluss 1841 mit einer Doktorarbeit, in der die dialektische Spannung zwischen Zufall und Notwendigkeit, zwischen Determinismus und Freiheit thematisiert wird. Die Promotion erfolgt, was damals keine Seltenheit war, in absentia, und zwar an der Universität Jena.

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Kaum ist der Leitartikel geschrieben, versammeln sich schon die Massen … Soll das Engels sein, der dem Chefredakteur über die Schulter schaut? Abbildung: Junge Welt, Berlin

Berufseinstieg als Journalist
Wie bei manchen systemkritischen Köpfen der Restaurationszeit zerschlägt sich auch bei Marx die Hoffnung auf eine akademische Karriere. Da bietet ein neu gegründetes Presseorgan eine berufliche Einstiegschance: Die Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe, die seit 1842 von einer Kommanditgesellschaft auf Aktienbasis herausgegeben wird, soll der konservativen Kölnischen Zeitung durch eine kritisch-liberale Berichterstattung Konkurrenz machen.

Marx beginnt seine Mitarbeit mit einer sechsteiligen Artikelserie zu den Debatten des Rheinischen Landtags über die Pressefreiheit.  Den Abgeordneten, die den Status quo der Vorzensur ontologisch begründen wollten, hält er am 12. Mai 1842 entgegen: „Die zensierte Presse mit ihrer Heuchelei, ihrer Charakterlosigkeit, ihrer Eunuchensprache, ihrem hündischen Schwanzwedeln verwirklicht nur die inneren Bedingungen ihres Wesens.“ Und weiter: „Das Wesen der freien Presse ist das charaktervolle, vernünftige, sittliche Wesen der Freiheit. Der Charakter der zensierten Presse ist das charakterlose Unwesen der Unfreiheit, sie ist ein zivilisiertes Ungeheuer, eine parfümierte Mißgeburt“ (MEW 1: 54). Selten sind stilistisch so brillante, polemisch zugespitzte und intellektuell fundierte Passagen über Pressefreiheit und Zensur veröffentlicht worden wie in dieser Artikelserie.

In weiteren Beiträgen befasste sich Marx mit sozialen Problemen und ökonomischen Fragen. Damit der Zensor nicht einschreiten konnte, geschah dies teilweise mit Bezug auf die Landtags-Verhandlungen, etwa über das Gesetz zum Holzdiebstahl und die Lage der Moselbauern. Die Artikel erschienen, wie damals üblich, anonym. Aber intern konnte sich der Autor damit so profilieren, dass er im Oktober 1842 Chefredakteur wurde. Die Auflage der Rheinischen Zeitung stieg unter seiner Redaktionsleitung auf 3400 Abonnenten – für damalige Verhältnisse eine stolze Zahl. Das Blatt erlitt jedoch schon bald das ‚normale‘ Schicksal des kritischen Journalismus: Anfang 1843 wurde sein weiteres Erscheinen verboten.

Marx zog aus seinen Erfahrungen dieselbe Konsequenz wie viele oppositionelle Publizisten vor ihm: Er ging in die Emigration. Zusammen mit dem Linkshegelianer Arnold Ruge gab er im Februar 1844 in Paris die Deutsch-Französischen Jahrbücher heraus. Im ersten – und einzigen – Doppelheft erschien seine Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift“ (MEW 1: 385). Hier beginnt Marx seinen Weg als Theoretiker des wissenschaftlichen Sozialismus und als Aktivist des Kommunismus.

Text aus: Journalistikon – Das Wörterbuch des Journalismus. Autor: Walter Hömberg, 10. Juli 2023

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