SPEZIAL zur Fish & Scripts, Folge I.:
Themen und Materialien zur Unabhängigen Buchmesse in Hamburg, vom 6.-7. Dezember 2024 im Lichthof der Stabi, Eintritt frei!
Warum das SPEZIAL? Gerade erst ist das Social-Media-Getöse um die ROTER SALON-Absage von Ilko Sascha Kowalczuk in wohlverdiente Grabesstille übergegangen, geht hier im MAC Blog das nächste Rummel los. Was zum Teufel (?) hat der MAC mit dieser Buchmesse zu tun? Nun, das ist schnell aufgeklärt. Erstens ist der MAC selbst ein Kind der Unabhängigen Verlage in Hamburg, denn der „Mann auf der Couch“ (2021) ist bei Textem erschienen, dem edelsten unter den Hamburger Indie-Verlagen. Zweitens wurde der MAC bzw. sein Alter Ego (altes Ego?) Michael Hopp eingeladen, das Rahmenprogramm am Samstag nachmittag (7.12., ab 12:00) zu moderieren in dem sich neun Verlage großteils durch Lesungen ihrer Autoren vorstellen. Drittens – könnt Ihr noch? – ist die LuV Hamburg (Liste unabhängiger Verlage) neben der MASCH (Marxistische Abendschule Hamburg) Partner des ROTER SALON HAMBURG, mit dem der MAC/Michael Hopp in das Hamburger Veranstaltungsgechäft (Geschäft?) eingestiegen ist, zuletzt eher unrühmlich mit der verfickten Kowalczuk-Absage. Aber wartet das nächste Jahr ab! Und viertens – seid Ihr noch da? – ist das MAC-Imperium auch auf das engste mit dem ebenfalls auf der Fish & Scripts teilnehmenden Frenz Verlag und dem WOCHENENDER verbandelt, hat doch MAC/MH gerade einen im Frühjahr erscheinenden Prachtband der Reihe City of Green über Parks in Berlin betreut, die darin nicht nur bewundernd-botanisch betrachtet werden, sondern auch historisch-politisch. Wobei Botanik ja auch historischer Materalismus ist, oder? Liest noch jemand mit?
Für den Fall: Hier ein paar Splitter (nicht wehtun!) zur bevorstehenden Buchmesse Fish & Scripts
1. Unter dem Radar – mehr als drei Worte
Hier im Blog titelgebend, beim textem Verlag sowas wie Programm, bei Google bereits Suchbegriff auf der Suche nach textem.
Auf die drei Worte stieß der MAC als erstes, als er sich über den Verlag informierte, der sich für den „Mann auf der Couch“ interessiert hatte, damals, auf der Indie Con (das ist wieder eine Messe, die Unabhängiger Magazine), 2021.
Nach Erinnerung des MAC hatte textem-Verleger Gustav Mechlenburg den Begriff in einem Interview mit der taz verwendet, aber da findet er, der MAC, die Stelle jetzt gerade nicht.
Sei´s drum – denn trotzdem ist das Interview ein Klassiker, würde er, der MAC, sagen – und unbedingt lesenswert für alle, die was über die Haltung (die Seele, den Spirit) der Indie Verlage erfahren wollen.
https://taz.de/Verleger-Gustav-Mechlenburg/!5098108/
„Unter dem Radar“ hiess schon vor dem Interview eine Ausgabe der textem-Kulturzeitschrift Kultur und Gespenster. Im Internet fliegt ein gleichnamiges Buch des ebenfalls auf der Fish & Scripts auftretenden Leipziger Lektors und Indie-Experten Jan Frederik Bendel herum, der darin die underground and self-published works that came out of West Germany during the 1960s aufarbeitet.
Mit einer auf heute gewendeten Fortschreibung des Themas (selbstausbeutende Kleinverlage am Rande des Nervenzusammenbruchs) ist Bendel jetzt in Form eines 45minütigen Vortrags auf der Fish & Scripts vertreten – dem er aber, in Abwandlung, den Titel „Auf dem Radar“ gegeben hat. Check? (Sa., 6.12. 14:15).
Dem MAC, der wohl zeitlebens (bis hierher und nicht weiter!) verzweifelt darum kämpfte, auf dem Radar zu bleiben, behagt es in der Zwischenzeit darunter viel mehr. Vielleicht ist das „Unter“ der einzige Ort, an dem es sich noch leben lässt – der Gedanke drängt sich ihm oft schon auf, wie man ja früher auch im UNDERground war, und keinesfalls im doofen OVERground.
In Zeiten der in Deutschland wieder als Kernkompetenz vorausgesetzten „Kriegstüchtigkeit“ hat „auf dem Radar“ ja auch Nachteile, weil man da bekanntlich jederzeit abgeschossen werden kann.
Auf der anderen Seite ist für die Indie-Verlage „unter dem Radar“ oft mit einer zu geringen Sichtbarkeit bei Lesern und Käufern verbunden -doch um diese zu verbessern, sind ja der LuV Verband und die Fish & Scripts-Messe da! Heissa, wie gut hier alles zusammenpasst! Wie aber lebt es sich „Unter dem Radar“, wenn wir auch mal über, ähem, Geld sprechen wollen?
2. Unter dem Radar – wie lebt es sich da?
Wie gering die Öffentlichkeit ist, die Nicht-Konzern-Verlage auch in den links-liberalen Medien beanspruchen können, ist am eklatanten Mangel an Veröffentlichungen zur Situation der Branche (und damit fehlender Debatte) zu erkennen. Einer der wenigen Artikel über die aus der unguten Kombination von steigenden Kosten und sinkender Nachfrage bewirkten, teils bedrohlichen wirtschaftlichen Lage der Verlage, ist im Luxemburger Online-Magazin woxx erschienen – und sei Euch hier zur Lektüre anempfohlen.
Darin zu Wort kommen auch Franziska Otto von der Hamburger Edition Nautilus und Theo Bruns aus Hamburg vom Verlag Assoziation A, der in Berlin seinen Verlagssitz hat. Nautilus ist auch auf der Fish & Scripts anzutreffen. Hier nun, korrekt zitiert:
Deutsche Buchbranche in der Krise: Die abnehmende Sichtbarkeit unabhängiger Verlage
Von Gaston Kirsche | 2024-10-04 | Kultur
Wie Verlage angesichts steigender Produktionskosten und einer sinkenden Zahl von Buchläden über die Runden kommen.
https://www.woxx.lu/deutsche-buchbranche-in-der-krise-die-abnehmende-sichtbarkeit-unabhaengiger-verlage/
3. Aus dem Programm: Die Graphic Novel, in der Pasolini wieder zur Erde kommt
Mit Messestand und Samstagnachmittags-Vortrag auf der Fish & Scripts vertreten ist die Galerie der Abseitigen Künste, ein Verlag, der dem MAC naturgemäß nahe steht, als er doch, mit einigen anderen wie VSA oder Argument, jenes Segment der Indie-Buchbranche verteidigt, wo die Verlage nicht nur unabhängig, sondern auch links sind.
Top-Titel (sagt man das auf der Fish & Scripts?) im Abseitigen-Künste-Programm ist die Graphic Novel „Interview mit Pasolini“ des italienischen Künstlers Davide Toffolo, mit der der Verlag nach den beiden grossen Interviewbänden – Pasolini spricht mit Gideon Bachmann, erschienen zum 100. Todestag – seine „Pasolini-Kompetenz“ weiter ausbaut.
Dazu gehört auch das multimediale, internationale Projekt „Allegorien der Macht“, eine szenische Reflexion zu Pasolinis „Saló oder die 100 Tage von Sodom“, mit der Gabriella Angheleddu, Karl-Heinz Dellwo und Fabien Vitali der Frage nach dessen allegorischer Bedeutung und politischer Aktualität nachgehen, in einr Darstellung der Mechanismen, die der Ausübung von (kapitalistischer) Macht zu Grunde liegen.
Der Kommunist Pasolini ist heute noch ein Held der italienischen Linken und erinnert an eine Zeit, in der künstlerischer Ausdruck, Sexualität und politischer Kampf eng miteinander verbunden waren (und nicht segmentiert aufeinander eingekloppt haben) – vielleicht im Sinne der kulturellen Hegemonie der Linken, wie sie Antonio Garmsci, der andere grosse Italiener, beschrieben hat.
„Interview mit Pasolini“ entsteht 2002 aus der Hand von Davide Toffolo für den kleinen friulanischen Verleger Coconino Press und ist eine der ersten italienischen Graphic Novels sowie vielleicht die bekannteste italienische Bildergeschichte zu dem Dichter, Schriftsteller und Regisseur Pier Paolo Pasolini, einem der intelligentesten, vielseitigsten und widersprüchlichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts.
Erstmals liegt mit diesem Buch eine Übersetzung ins Deutsche vor.
Protagonist der Graphic Novel ist ein Alter Ego des Autors: Ein gezeichneter Davide Toffolo, der mit Kamera, Stativ und Notizblock sich auf den Weg zu einem Termin mit einem Mann macht, der behauptet, Pier Paolo Pasolini zu sein und mit ihm sprechen möchte.
Pier Paolo Pasolini wurde 1975 ermordet. In dieser Graphic Novel tritt er auf, als ob er am Leben wäre.
Er sieht aus wie Pasolini, er spricht wie Pasolini. Handelt es sich um ein Gespenst? Um einen Mythomanen?
Guckt doch mal in die tollen Zusatzmaterialien, die der Verlag digital anbietet (QR-Code auf der Rückseite des Buchs) – die eine echte „Reise“ durch die gezeichnete Pasolini-Welt bieten, unter anderem auch tolles Material von heute – „Live-Zeichnungen“, die während der Performance »Pasolini, eine Begegnung«, die Toffolo mit seiner Band »Tre Allegri Ragazzi Morti« in Rom, Triest, Bologna und Pordenone aufgeführt hat, entstanden waren.
Hier geht´s los: https://www.interview-mit-pasolini.de/