„Klaus Lederer, Kapitalismus und Imperialismus stürzen die Welt ins Chaos. Sozialismus oder Barbarei, hieß es mal. Stimmt das noch?“

Vorschau auf den ROTEN SALON mit Klaus Lederer am Montag. Hier schon mal so ungefähr die Fragen, die ich an ihn stellen werde – wenn bis dahin die Welt noch steht. Immerhin findet die Veranstaltung am Tag nach der Bundestagswahl statt, in der sich entscheidet, ob wir einen schrecklichen Kanzler Friedrich Merz bekommen – und ob die Partei Die Linke, also Klaus Lederers Partei, noch „drin“ ist, oder nicht. Klaus ist zwar ausgetreten, aber egal wird es ihm auch nicht sein. Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutiert das Publikum mit Klaus. M.H.

„Klaus, Du bist ein totales  Kind der Wende, wenn ich das so sagen darf,  1974 in Schwerin geboren, 1981 nach Frankfurt an der Oder übersiedelt, 1989, als 15jähriger, mit den Eltern nach Berlin, als jugendlich gläubiger Kommunist, der nichts anderes kannte. Naja, und dann ging es bald los …“

„Dazwischen fehlen mir ein paar Schritte … aber im Nachhinein kann man sagen, dass du auf der anderen Seite der dann schon gefallenen Mauer eine kometenhafte politische Karriere hingelegt hast. 1992 bist du in die PDS eingetreten, ab 2005 warst du  Landesvorsitzender in den verschiedenen Aufstellungen der heutigen Partei die Linke und von 2016 bis 2023 Bürgermeister und Kultursenator von Berlin, in einer rot-rot-grünen Koalition, die 2023 abgewählt wurde. Du wolltest eigentlich Astrophysiker werden, wurdest aber Jurist und hast dich in deiner vielfach prämierten Doktorarbeit mit rechtspolitischen Aspekten der Berliner Wasserpolitilk beschäftigt, was dir, wie du im Buch schreibst, sehr geholfen hat im Verständnis von Fragen der Gemeinwirtschaft. Du hast als junger Mensch als Tenor in einer DDR- Punkband Lieder im Stil der 20er Jahre gesungen -später auch in einer A-Capella-Truppe – und warst Queer-Beauftragter deiner Partei und bist heute in einer internationalen Queer_Organisation aktiv.“

„Worum es in deinem Buch geht – Buch herzeigen – , das von der Form her ein großer politischer Essay ist, eigentlich ein Memoir, aber ganz ohne die dümmliche Ich-Seligkeit, die dem Genre sonst oft anhaftet, wird aus dem Gesagten eigentlich schon klar, bzw. haben wir für diese Veranstaltung den Titel Ideen für einen Sozialismus im 21. Jahrhundert gewählt, der in deinem Text aus einer anderen Quelle zitiert wird – egal, genau darum geht es ja, aus der Erfahrung Ideen für die Zukunft zu gewinnen. Hat die Linke, nicht nur deine Partei, im Moment genug Ideen für die Zukunft?“

„Im Buch wird sehr schön deutlich, was du, als junger Mann, aus der historisch kurzen Phase des endgültigen Niedergangs der DDR mitnehmen konntest an politischen Erfahrungen, an Erfahrungen, die heute noch nutzbar wären. Aus der Zeit, als es so aussah, als sei noch was zu retten …  Ich meine damit nicht nur die Ostberliner Werkausgabe der „Blauen Bände“ von Marx und Engels, die du irgendwann zwischen 1989 und 1991  vor dem Altpapier bewahren konntest, aber vielleicht kannst du das für die Fans hier auch erzählen.“

„Ich finde ja immer, die DDR fehlt uns heute. „Geh doch nach drüben“ – das war doch wunderbar! Heute kann man nirgends mehr hingehen. Überall ist Kapitalismus. Und Generationen wachsen im im Glauben auf, es gäbe gar nichts anderes, es sei nichts anderes existierend, als der Kapitalismus. Das ist doch eine Katastrophe!“

„Wir haben jetzt einiges über eine nachvollziehbare Entwicklung, über eine Kontinuität gehört – aber da gibt es auch einen Bruch, eine Diskontinuität in deinem Leben, nämlich am 23. Oktober letzten Jahres, als du mit vier weiteren Genossen aus der Partei Die Linke austrittst – nach einem Eklat über Antisemitismus während des Krieges in Israel und Gaza, sowie Differenzen in der Frage Solidarität mit der Ukraine. In der veröffentlichten  Erklärung geht es mehr um das Wie der Auseinandersetzungen – hinterrücks und über Social Media – als über das Was, also was der Konflikt genau war.“

„Ich will hier nicht zu sehr in dich dringen, aber doch die Frage stellen, ob du heute nochmal austreten würdest, bzw. ob sich die Linke unter neuer Führung nach Deiner Einschätzung in diesen Fragen in der Zwischenzeit bewegt hat.“

Erklärung

Wir haben uns in einer sehr pluralen Linken in der Überzeugung engagiert, dass eine demokratische, progressive linke Partei mit einer überzeugenden gesellschaftlichen Zukunftsidee und einer realistischen Perspektive für deren Verwirklichung hierzulande ein gesellschaftliches Potenzial und eine dringliche politische Gestaltungsaufgabe hat. Das ist aber kein Selbstläufer, der allein durch organisatorischen Aktivismus und Geschlossenheitsappelle erreicht werden kann. Dabei zukünftig wieder erfolgreich zu werden, setzt unabdingbar eine Reihe von inhaltlichen und strategischen Klärungsprozessen voraus. Dies haben wir immer wieder eingefordert und uns daran beteiligt. Es steht aber nach wie vor aus.
Seit einiger Zeit ist es uns jedoch immer weniger möglich, uns in unserem Landesverband für unsere inhaltlichen Positionen und unsere strategischen Orientierungen einzusetzen. Dies erlebten wir nicht zum ersten Mal bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus, sondern z.B. auch bei der Frage der Solidarität mit der Ukraine. Differenzen in der Sache werden stärker denn je – auch über die sozialen Netzwerke – personalisiert ausgetragen und zu „Machtkämpfen“ erklärt. Diese Tendenz gab es immer. Sie gehört in gewisser Weise zur DNA politischer Parteien. Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem sich in – für unser Selbstverständnis zentralen – politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachlich-inhaltliche Klärung nicht stattfindet. Die gestern beschlossene Resolution des Landesvorstandes bleibt weitgehend dem Modus treu, die zutage liegende Differenz verbal zu umschiffen. Auch zu den Ereignissen beim Umgang mit unserem Antisemitismusantrag auf dem Landesparteitag und in dessen Nachgang bleibt sie eher vage, von Konsequenzen ganz zu schweigen. Zumal diese Resolution über uns verhandelt wurde, nicht mit uns. 
Wir sind weiterhin bereit, auf Grundlage des von uns getragenen Wahlprogramms als Mitglieder in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus mitzuarbeiten. Als undogmatische, demokratisch-sozialistische Linke arbeiten wir weiter an unseren Zielen und beziehen politisch Position. Dazu gehört eines Tages vielleicht auch wieder das Engagement in einer sozialistischen Partei, die bereit ist, sich im Bewusstsein ihrer Geschichte den Herausforderungen für linke Politik in der Gegenwart in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit zu stellen. Momentan ist uns das aber nicht möglich. Deshalb erklären wir unseren Austritt aus der Partei Die Linke.
Wir bedanken uns bei allen Genoss*innen, mit denen wir in den vergangenen Jahrzehnten eng und gut zusammengearbeitet haben und wünschen ihnen viel Kraft und Erfolg. Mit vielen von ihnen werden wir auch weiterhin in der progressiven Linken zusammenarbeiten.
Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass wir für weitere Presseanfragen diesbezüglich nicht zur Verfügung stehen.

Elke Breitenbach, Klaus Lederer, Carsten Schatz, Sebastian Schlüsselburg und Sebastian Scheel

„In der Austrittserklärung steht auch, dass du dir, neben der Weiterarbeit in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, für die Zukunft das  Engagement in einer sozialistischen Partei vorstellen kannst,  die bereit sei, sich im Bewusstsein ihrer Geschichte den Herausforderungen für linke Politik in der Gegenwart in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit zu stellen.  Welche Partei könnte das sein? Hältst Du Dir damit eine Hintertür offen – vor allem aber:  Wie fühlt sich für dich die Situation an, nachdem Die Linke mit Heidi Reichinnek eine Wagenknecht-Bezwingerin gefunden zu haben scheint, mit der die Partei definitiv aus der Depression erwacht ist und unerwartet ein Comeback schafft – mit zumindest momentan besonders hohem Zuspruch bei den ganz jungen Wählern. In der Wirtschaft sagt man ja, Erfolg hat immer recht, in der Politik stimmt das nicht ganz.“

„Die Begriffe links und rechts fliegen heute kreuz und quer, im Populismus werden sie auf ungute Art gegeneinander aufgelöst. Karl Marx war es zu seiner Zeit gewöhnt, mit viel größerem politischen Chaos als heute umzugehen und hat wie mit Röntgenaugen die Interessen und Motive der einzelnen Gruppen herausgearbeitet.  Das können heute die wenigsten. Du beschäftigst Dich in Deinem Buch sehr viel damit, wie weit und wie man heute mit dem Marxismus noch arbeiten kann – wie aber auch nicht. Kannst Du uns dazu was erzählen?“

„In einem scheint sich Marx verrechnet zu haben. Er sah die Entwicklung der Produktivkräfte einhergehen mit der Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins. Heute haben wir hoch entwickelte Produktivkräfte, die die gesellschaftliche Entwicklung überholt haben. Die Hoffnungen, die Menschen früher in die Demokratie gesetzt haben, setzen sie heute in die Technologie, die Technologie gilt heute als der Problemlöser, nicht die Politik.“

„Thema gesellschaftliches Bewusstsein.  Du warst viele Jahre Kultursenator in Berlin und bist damit deutschlandweit bekannt geworden.  Ganz grosse Frage: Was kann Kultur politisch bewirken? Und sitzt sie nicht doch im Elfenbein-Turm und erzeugt nur „Kulturlinke“, die politisch passiv bleiben?“

„Der Klimawandel lässt sich aus dem Marxismus recht schlüssig mit der Übernutzung der Ressourcen erklären, mit der Ausbeutung von Mensch und Natur, mit der Überproduktion. Und tatsächlich ist es ja der Kapitalismus mit dem „stummen Zwang“ zur Akkumulation, der das das Kapital zur Eroberung immer neuer Märkte, Rohstoffquellen und billiger Arbeitskräfte zwingt. Seltsamerweise wird diese Argumentation von der Linken wenig verwendet – und auch Parteien wie die Grünen versäumen es, den Kampf gegen den Klimawandel als antikapitalistischen Kampf darzustellen.  Warum ist das so?“  

„Du schreibst im Buch, der Begriff von den Klassen sei nach wie vor nützlich, das finden wir natürlich auch.  Trotzdem scheint es heute irreal, die Hoffnungen auf gesellschaftliche Veränderung an die inzwischen reduzierte, global in die total unterschiedlichen Bedingungen von Nord und Süd aufgeklüftete, gespaltene Arbeiterklasse zu heften.  Welche Gruppen in der Gesellschaft müssen neu zusammenfinden, wenn wir vom Sozialismus im 21. Jahrhundert sprechen? Zum Beispiel bietet in Deutschland  das antifaschistische Motiv ein breites Dach, unter dem Hunderttausende auf die Strasse zu bringen sind, wie zuletzt bei den Merz/AfD-Protesten. Diese Proteste sind aber nicht gegen den Kapitalismus gerichtet, der letztlich Phänomene wie die AfD hervorbringt.“

„Du fühlst Dich der Queer-Bewegung zugehörig, die man leicht auch als woke oder identitär auffassen könnte – also auf etwas, das den Menschen auf ein bestimmtes Merkmal reduziert und nicht in seiner sozialen Gesamtheit erfasst. Im ersten ROTEN SALON hat Susan Neiman dargelegt, warum „woke nicht links“ ist und wie es dem Geist der Aufklärung und des Universalismus entgegensteht. Gerade in Berlin gab es aber auch immer eine linke und linksradikale Homosexuellen-Bewegung.  Wie sehr beschäftigt Dich diese Diskussion?“

„Donald Trump verschiebt in seinem ganzen Irrsinn gerade erfolgreich die geopolitischen Strukturen bzw. stiftet zumindest Chaos. Die Veränderung, auch betreffend Europa, könnten so gravierend sein, dass sie sich schnell auch im Alltag der Menschen zeigen. Vielfach wird jetzt gesagt, der Politik, aber auch der Gesellschaft, fehle noch völlig der Begriff, das Bewusstsein, wie mit der neuen Realität umzugehen sei. Ist die Realität wirklich neu? Und wäre es jetzt die Aufgabe der Linken, Bewusstsein zu erzeugen – aber eben eines, das sie vielleicht selbst noch nicht hat.“

„Du sprichst im Buch viel davon, wie die Linke ihre „Politikfähigkeit“ zurück erobern  konnte. Dabei kommen Begriffe wie die „Politik der Kleinen Schritte“ vor, du zitierst Klaus Dörre mit dem „Sozialismus im 21. Jahrhundert“ als graduellen Politikansatz, , so sollten sich “linke Politikansätze experimentell verstehen, um Menschen selbst zu AkteurInnen zu machen“.  Was ist darunter zu verstehen?“

„Letzte Frage: Nach der Wahl gestern – wer wird im Bundestag sitzen – und wie wichtig sollen wir das nehmen?“

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Klaus Lederer, Mit Links die Welt retten, Kanon Verlag – gibt´s im ROTEN SALON auch am Büchertisch bzw. direkt beim Autoren mit Autogramm

KICK FROM THE SIDE
Fragen von Henry

ROTER SALON – Mitarbeiter Henry Grotkasten wird bei der Veranstaltung der „Sidekick“ von Moderator Michael Hopp sein. Gleichzeitig fotografierend wird er immer in der Nähe sein und da, wo es passt (oder auch nicht), weitere Aspekte einbringen, die er direkt aus dem Buch gefischt hat

S. 20 „Runde Tische“
– wie gelingt ein politisches Zusammenspiel vom Stadtteil bis ins Kanzleramt?

S. 22 „Fehlende Utopien“
– was kann eine neue Erzählung für die ‚Verlierer’ der Wende sein?

Zu Kapitel 2.
– Mit dem Hintergrund von Marx Theorie und den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte – wie könnte eine Transzendenz aus dem Kapitalismus gelingen?
– War bzw. ist der wirtschaftlich, technische Fortschritt ungleich einem gesellschaftlichen Fortschritt?

Zu Kapitel 3.
S. 54
– Ist Marx Imperativ ein verlorenes, paradiesisches Bewusstsein?
S. 56
– Zum Liberalismus als Wurzel des Sozialismus. – Wie kann heute der Begriff ‚Freiheit‘ definiert werden?

Zu Kapitel 4.
S. 76
– müssen wir lernen ‚nein‘ zu sagen, Verzicht lernen bzw. Bedürfnisse erkennen die illusorisch sind?
S. 80
– geht Sozialismus/Kommunismus nur international?
S. 85
– Ist die Luxusyacht Sinnbild eines infantilen, gesetzlosen Spielplatzes?
S. 92-98
– Könnte die Klimakrise als Muster für die Entfremdung des Menschen von sich selbst gesehen werden?

Zu Kapitel 5.
S. 125
– Braucht es eine Politik der Fürsorge, wie sie die Partei die LINKE im jüngsten Wahlkampf versucht hat (Haustürwahlkampf, LAG Die Linke hilft!, Umverteilung als primäres Ziel etc.)
S. 138-142
– Was macht die Diskussionskultur kaputt? Sensibilisieren vs. Verrohung.
– Wie weit ist Hochkultur wirksam, wenn sich weite Teile der Bevölkerung nicht von ihr angesprochen fühlen?

Zu Kapitel 6.
S. 149
– Wer ist die Arbeiterklasse und wer wird sie in zehn Jahren sein?
S. 151
– Wie kann der Nutzen des Klischees des ‚faulen Arbeitslosen‘ aufgebrochen werden?

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