
Von Henry Grotkasten
Gerne möchte ich behaupten, dass ich durch den Philosophen Robert Pfaller zum Rauchen gekommen bin – bin ich aber nicht. Durch Pfallers Kritik an den zunehmenden Rauchverboten, in jeder seiner größeren Veröffentlichungen (habe ich nichts übersehen?) im neoliberalen Gewand, bin ich allerdings dabei geblieben, wenn auch (zur Ehrenrettung) als Genussraucher, der den Tabak auch mal für ein, zwei Wochen zur Seite legen kann.
Um Lust und Genuss, geht es auch in seiner neuen Veröffentlichung, einer Aufsatzsammlung mit dem Titel »Das Lachen der Ungetäuschten« (2025), im besonderen über das Lachen und seinen Grund in der Komödie.
Etwas komödiantisches hatte das Lesen des Buches für mich schon insofern, als ich den Großteil der Lektüre während des Aufenthalts in einem Kloster aufgenommen habe, in den Pausen zwischen den über den Tag verteilten Stundengebeten. ‚Komödiantisch‘ deswegen, weil er in seinem Buch vollkommen unversöhnlich das Christentum als hoffnungslose Opfer- und Verliererreligion ‚abkanzelt‘, die mit einem diffusen Heilsversprechen wink und die Menschen mit Schuldgefühlen belädt.
Neben Oratorium und Gebet, hat die Position Pfallers bei mir also den Anspruch an die innere Auseinandersetzung erhöht; Sinn und Einlassung in die bald tausendjährigen Rituale der Mönche, wurden an den für mich schlüssigsten Stellen seines Werkes geradezu suspendiert.
Lachen erwünscht
Dieses recht allgemein gehaltene ›Religionsbashing‹ (des Christentums), ist vielleicht der schwächste Teil des ansonsten sehr differenziert geschriebenen, einleuchtenden Werks und immerhin tritt er den Glauben nicht vollständig in die Tonne, sondern macht mit lässig, intellektuellem Schattenboxen den griechischen Götterglauben um Zeus und Co. stark, der immerhin mit einer Fülle von heldenhaften Göttern aufwarten kann.
Religion und Glaube nur als Nebenschauplatz nutzend, nähert sich Pfaller der Frage: „Warum lachen wir bei einer Komödie?“, gleichfalls aus einer Fülle an Zugängen und Beispielen. Mit Theorien der Psychoanalyse und der Philosophie untersucht er, welche Rolle und in welchem Verhältnis Wissen, Bekenntnis und Aberglauben stehen, zeigt mit Referenz auf eigene, zuvor von ihm erschienen Werke, dass es besonders die Vorstellungen sind, die Illusionen, die wir uns über unsere Mitmenschen und uns selbst machen, die entscheidend dafür sind, ob wir uns in einer Komödie oder Tragödie wiederfinden.
In der heutigen Zeit, in der viele wieder „Mehr arbeiten!“ und einige implizit „Arbeit macht frei!“ schreien; bei gleichzeitiger Zunahme von empfundener Sinnlosigkeit der Arbeit und des Lebens, sowie einer für Persönlichkeit und Natur wenig nachhaltigen Spaßkultur mit ihrer sogenannten ‚Freizeit‘, ist Pfallers Buch eine Intervention. Es entlarvt das Lust- und Genussfeindliche dieser beiden Pole.
Um die häufig als ‚seicht‘ abgetane Komödie entfalten sich damit weitreichende, in ideologische und psychische Strukturen verzweigte Verbindungen, die ohne mystische oder abstrakte Verklärung auskommen, sondern ganz im Gegenteil, durch ihre Oberflächlichkeit Erkenntnispotenzial besitzen.
Ein schlüssiges Beispiel für dieses Potential ist für mich – im Buch nicht erwähnt – die Fernsehserie »Police Squad!« (1982) und die sich anschließende Reihe von drei Kinofilmen, »Die nackte Kanone (Eng. »The Naked Gun«)« (1988; 1991; 1994). Detective Frank Drebin, gespielt von Leslie Nielson, erfüllt darin all die von Pfaller herausgearbeiteten Elemente einer Komödie.
Sei es, dass Frank bei einem Schusswechsel, wie sein Gegner, hinter einer Tonne in Deckung ist – beide allerdings nur einen Meter voneinander entfernt sind. Die wilde Verfolgung eines Wagens aufnehmen will – und beim Kapern eines Autos ausgerechnet in einen Fahrschulwagen einsteigt oder bei einer Pressekonferenz der örtlichen Polizei ein kaputtes Ansteckmikrofon austauschen muss, und das neue dann so gut funktioniert, dass es laut und deutlich den Toilettengang im Anschluss seiner Rede überträgt – all das hat gemein, dass es trotz der Gefahr, der Defizite und der Peinlichkeit, in der sich Drebin befindet, ein außerordentliches Gelingen gibt, Erfolge, die das eigentlich unheimliche und unpassende seiner Situationen, beim Zuschauenden aufgehen lassen in Lachen.
Frank Drebin ist ein Held – trotz oder gerade wegen seines einfachen Charakters, seiner Einfalt und Fehler.

„Ich bin ein Mädchen, ich bin ein Mädchen – ich wünschte ich wäre tot.“[1]
Wenn man Pfallers Untersuchung auf einen Punkt zuspitzen will, dann geht es um die Möglichkeit von Glück und die Fähigkeit, es zu erlangen.
Denn ‚Glück‘ ist, wie Pfaller darstellt, nicht einfach nur Zufall oder rares Gut – Glück kann erlernt werden, die geistige Arbeit dafür ist genauso möglich, wie das deprimierte Meditieren über persönliches Scheitern und verpasste Gelegenheiten.
Mehr als opportunistische, psychologische Ratgeber, die einem Floskeln vermitteln wie „Nimm alles nicht so ernst!“, „Sei frei!“ oder am schlimmsten: „Glaub an dich selbst!“ brechen Pfallers Untersuchungen den Narzissmus und das Ego auf. Es wird deutlich, dass, wie komplex, tiefgründig und einzigartig wir uns selbst denken, der ‚Mensch‘ im Verhältnis sehr einfach, nach Mustern, und – mit Distanz betrachtet – ziemlich automatisch funktioniert.
Mithin kann sich ein vielschichtiger Charakter als so einfach gestrickt wie ein Atom offenbaren.
Und sich selbst, wie den anderen oder die andere, der/die einem auf der Straße vielleicht ‚dumm kommt‘, als Atom zu betrachten, anstatt der Situation einen tieferen Sinn oder Absichten zu unterstellen, funktioniert wirklich hervorragend (ich habe es selbst ausprobiert), da ich und das andere Atom, in der nächsten Sekunde wieder im Kosmos verschwinden und ich bis zum Lebensende von dieser Person nichts mehr mitbekomme (… im besten Fall).
… Hass gibt es eh schon genug, da hilft es doch vielleicht, wie Pfaller an einer Stelle zusammenfasst, dass Lachen zum Lieben führt.
Können wir noch herzlich lachen und herzlichen weinen?
Eine besondere Pointe zum Ende des Buches, ist die Betrachtung der Tragödie, die nur scheinbar das Pendant zur Komödie ist.
Das Gegenstück zur Komödie ist, im Nachvollzug an Sigmund Freud, das Unheimliche; die Tragödie hingegen ist an die Ehre des oder der Einzelnen geknüpft, welche im Konflikt mit der Welt bewahrt werden soll.
Da es nach Pfaller, im heutigen Zeitgeist an Gedanken- und Bewegungsspielraum mangelt, sind die Zugänge für das Komödiantische, wie das Tragische, in der Kultur weitestgehend versperrt – ein trauriger Schluss, bei einem schönen Buch über die Komödie.
[1] Some Like It Hot (1959). Ashton Productions, The Mirisch Corporation.
Robert Pfaller, Das Lachen der Ungetäuschten – Die philosophische Würde der Komödie, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2025, 304 Seiten, 26,00 €
Weitere Texte von Henry Grotkasten: henrygrotkasten.substack.com