Die MASCH gewann den „Extremismus“-Prozess gegen den Verfassungsschutz, wird von der Geheimdienstliste gestrichen und kann sich wieder um die Gemeinnützigkeit bewerben. Ein politischer Sieg? Nur zunächst
Von Michael Hopp, Mitglied der MASCH
In ihrer langen Geschichte stand die „Marxistische Abendschule Hamburg“ (MASCH) immer wieder unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dabei geht es weniger um den Schutz der Freiheitlichen Demokratischen Grundordnung (fdGO), als um das dingfest machen von Bestrebungen, die sich gegen den politischen Status Quo richten.
Moritz Asall, Mitglied der MASCH und Ko-Geschäftsführer der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, versteht in einem sehr lesenswerten Artikel (unten verlinkt) den Verfassungsschutz als „Hegemonialapparat“, der nicht die Verfassung, sondern die„Verfasstheit“ der Gesellschaft schützt, indem „extremistische“ Strömungen definiert, ausgegrenzt und kriminalisiert werden.
Im Falle der MASCH erfolgte die Zuschreibung des „Extremismus“ zuletzt durch das Steuerrecht.
Seit 2019 werden Finanzämter angewiesen, keinem Verein den Status der Gemeinnützigkeit zuzuerkennen, der auf den Listen der Inlandsgeheimdienste steht und damit unter Extremismus-Verdacht.
In Folge wurde 2021 der MASCH die Gemeinnützigkeit entzogen.
Um diese wieder zu erlangen, beschloss die MASCH, gegen den Verfassungsschutz zu klagen und damit den steinigen Weg des „vollen Beweises des Gegenteils“ zu gehen, wie es der Entscheid des Bundesfinanzhof vorsieht, d.h. in einer seltsamen Rollenvertauschung als Kläger positiv nachzuweisen, nicht extremistisch im Sinne des Verfassungsschutzes zu sein.
Das Urteil ist ein „zweischneidiges Schwert“
Die Verhandlung dazu fand am 8. April 2025 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg statt, das Urteil erging am 10. Juli 2025.
„Es ist ein zweischneidiges Schwert“, kommentiert Rechtsanwalt Ridvan Ciftci , der im Prozess die Klage der MASCH vertreten hat. Einerseits dürfe der Verfassungschutz den Jahresbericht 2021, gegen den die MASCH geklagt hatte, nicht mehr veröffentlichen und das Finanzamt müsste damit die Gemeinnützigkeit wieder zugestehen.
Auf der anderen Seite hält das Gericht auf Seite 33 des Urteils sehr deutlich fest, „die auf die Theorien von Karl Marx zentrierte Betätigung des Klägers steht prinzipiell im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die von Marx begründete Gesellschaftstheorie – mit der sich der Kläger befasst – dürfte in wesentlichen Punkten mit den in § 5 Abs. 5 HmbVerfSchG angeführten Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sein.“
Lest hier das Urteil im Original: https://drive.google.com/file/d/1JyYyzwlQatrJ_fJv7ZmjBNh6fl5f4mbN/view?usp=sharing
Die Wiedererlangung der Gemeinnützigkeit ist ein politischer Erfolg, der aber doch nicht zu reiner Freude Anlass gibt. Der „Freispruch“ ist vergiftet, weil er zentral darauf gründet, dass eine „aktiv-kämpferische Haltung des Klägers, die darauf gerichtet ist, einen oder mehrerer der Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung setzen zu wollen, nicht zu erkennen ist.“ Bedeutet, das Marx-Studium ist erlaubt, solange es FOLGENLOS bleibt, akademisch, historisch.
Doch was hieße „aktiv-kämpferisch“? Reicht die Teilnahme an einer Demo, an der andere „Extremisten“ teilnehmen? Oder wird von uns die Bewaffnung der „Reichbürger“ unterstellt?
Die „anti-marxistische“ Urteilsbegründung ist 17 Seiten lang und folgt teilweise Formulierungen des Staatslexikon-online. Sie bezieht sich vor allem auf veraltete Interpretationen des Revolutions-Begriffs bei Marx und der „Diktatur des Proletariats“.
Wer sind die Feinde der fdGO?
Die Unterstellung einer prinzipiellen Feindlichkeit gegen die fdGO lässt sich weder mit Programm und Praxis der MASCH begründen, noch mit Karl Marx. Die FdGO wird eher da verletzt, wo sie dem eigenen Anspruch nicht nachkommt, die Freiheit des Geistes und der Wissenschaft zu schützen und die offene und streitbare Auseinandersetzung als Weg der Erkenntnis.
Die Demokratie-Feinde finden sich in der Rechten, wie der Verfassungsschutz erkennt, wenn er daran geht, den Beamtenapparat gegenüber einer Unterwanderung durch die AfD resilient zu machen,
In der politischen Bildung und dem Aufzeigen von anderen Alternativen zum Kapitalismus als dem autoritären Staat, liegt auch ein Schlüssel zur Eindämmung des Zulaufs zur AfD. Schaden nimmt die fdGO auch, wenn Sie sich missbrauchen lässt zum Schutz der kapitalistischen Struktur als einzig mögliche. Demokratie und Systemkritik sind keine Widersprüche, sondern bedürfen einander.
Marx ist nicht irgendwer, wer die Gesellschaft zum Besseren verändern möchte, kommt an ihm nicht vorbei. Auch wenn sie es heute nicht mehr hören will, die heute von allen staatstragendste Partei, die SPD, nahm ihren Anfang bei Marx. Die Entwicklung des Sozialstaats beruht auf den Erkenntnissen des Marxismus über die Lage der Menschen im Kapitalismus. Ohne den sozialen Utopien, die der Marxismus setzt, gäbe es keine Empfindung für Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Eine Welt, in der Reichtum Armut produziert und Fortschritt Zerstörung, wird ihrem Schatten nicht davonlaufen können. Ist das Extremismus? Nö, nur Beschreibung der Realität. Es lebe die Gemeinnützigkeit!
Sowas lässt sich von einem Verwaltungsgericht nicht abschließend abklären, aber auch nicht in diesem Blog. Deshalb plant die MASCH eine Veranstaltung mit kompetenter Besetzung, um die Ergebnisse des Prozesses tiefer zu analysieren und mögliche Folgen abzuschätzen.
Artikel von Moritz Asall: https://www.akweb.de/politik/extremismusvorwurf-vom-verfassungsschutz-linke-organisationen-verlieren-gemeinnuetzigkeit/